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Schurkenstaat oder Alliierter?

Thomas Kohlmann13. Dezember 2002

Verwirrung um die Raketen-Lieferung an den Jemen. Wie verlässlich ist die Regierung in Sanaa als Verbündeter im Kampf der USA gegen die Al Kaida?

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Unter Zementsäcken versteckt: Nordkoreanische Scud-Raketen für den JemenBild: AP

800 US-Soldaten durchkämmen seit Monaten den Jemen auf der Suche nach untergetauchten Al-Kaida-Terroristen. Doch nur nach spektakulären Aktionen dringt etwas über die Arbeit der amerikanischen Anti-Terroreinheiten an die Öffentlichkeit. Wie Anfang November, als Abu Ali, einer der meistgesuchten Terroristen des Landes, und seine Begleiter in ihrem Wagen durch eine ferngesteuerte US-Rakete getötet wurden.

Neben den Philippinen und der früheren Sowjetrepublik Georgien zählt Jemen zu den Haupt-Einsatzgebieten amerikanischer Anti-Terroreinheiten außerhalb Afghanistans. In den von Clans und Stammesführern beherrschten Gebieten fern der Hauptstadt Sanaa werden viele der aus Afghanistan vertriebenen Anhänger Osama Bin Ladens vermutet. Hier gilt das Recht des Stärkeren, das mit der Kalaschnikoff durchgesetzt wird.

Das Land gehört zu den ärmsten der arabischen Welt. Mehr als ein Drittel der 18 Millionen Jemeniten muss sich von weniger als zwei Euro täglich ernähren, mehr als die Hälfte der Bevölkerung sind Analphabeten. Für islamistische Scharfmacher ein ideales Rekrutierungs-Reservoir für den von Bin Laden ausgerufenen "Krieg gegen Juden und Kreuzritter".

Rechtsfreie Räume im Wüstenhochland

Bis zur Ankunft der GI’s vor einem Jahr wurden in den unkontrollierbaren Provinzen immer wieder westliche Ausländer von bewaffneten Banden entführt. Aus der Provinz Hadramaut im Osten des Landes, die als Hochburg islamistischer Extremisten gilt, stammt der Vater Bin Ladens. Hier wuchs der im September in Pakistan gefasste Ramzi Binalshibh auf, der als Logistiker der Hamburger Zelle um Mohammed Atta gilt. Auch die Provinz Marib im Osten des Landes soll ein Rückzugsgebiet der El Kaida sein.

Es ist kein Zufall, dass mehr als 30 der rund 300 auf dem US-Stützpunkt Guantanamo Bay in Kuba internierten mutmaßlichen Terroristen einen jemenitischen Pass haben. Viele Jemeniten sind seit den 80er Jahren treue Gefolgsleute Bin Ladens, mit dem sie in Afghanistan gegen die Russen kämpften. Seit Anfang der 90er Jahre gibt es im jemen die Islamic Army of Aden (IAA). Sie ist ein Zusammenschluss ehemaliger Afghanistan-Kämpfer aus dem Jemen, die eng mit der El Kaida verflochten sein sollen. Die IAA bekannte sich zum Anschlag auf den französischen Öltanker "Limburg" im Oktober. Auch die Anschläge auf das US Kriegsschiff "Cole" vor gut zwei Jahren soll auf das Konto der IAA gehen. Und bei den Anschlägen auf die US-Botschaften in Kenia und Tansania im August 1998 soll die Jemen-Connection ebenfalls eine Rolle gespielt haben.

Alte Afghanistan-Kämpfer

Nicht immer führte der Weg der ehemaligen Afghanistan-Kämpfer in die Illegalität und in Terror-Organisationen: Viele kämpften in den 90er Jahren während des Bürgerkrieges in der Armee des Nordens gegen den marxistischen Südjemen. Kein Wunder, dass viele Gefolgsleute Bin Ladens heute in Ministerien, bei Polizei und Armee vermutet werden.

Seit einem knappen Jahr suchen die US-Anti-Terroreinheiten das Land nach dem Top-Terroristen Abu Asim ab. In dem arabischen Wüstenstaat ist er kein Unbekannter. Unter anderem trat er als Mitbesitzer der "Hamati-Bäckereien" auf, hinter denen US-Ermittler eine Geldwaschanlage der Al Kaida vermuten. Im bosnischen Bürgerkrieg soll er eine Einheit arabischer Freiwilliger angeführt haben, die gegen die Serben kämpften.

US-Verbündeter wider Willen

Nach dem einfachen Muster "Wer nicht für uns ist, ist gegen uns", hatte Präsident Bush nach den Anschlägen des 11. September den jemenitischen Präsidenten Ali Abdullah Salih auf Anti-Terror-Kurs gebracht. "Die Zeit des Handelns ist gekommen und wir erwarten von Ihnen, falls Sie Teil unserer Koalition sind, sorgfältig und hart daran zu arbeiten, Al-Qaida-Mörder und -Mitglieder oder Personen, die der Al Quaida helfen und sie unterstützen, zu verhaften", hatte Bush den jemenitischen Präsidenten bei dessen Staatsbesuch im November 2001 in Washington mehr als deutlich wissen lassen.

Seither sollen die USA rund 100 Millionen Dollar für ihr Jemen-Engagement nach Sanaa gepumpt haben. Auch wenn die Unterstützung der USA unpopulär in der Bevölkerung ist - die jemenitische Regierung will, so meinen Beobachter, nicht noch einmal auf der "falschen" Seite stehen. Damals, im zweiten Golfkrieg der USA gegen den Irak war der Jemen einer der entschiedensten Unterstützer Saddam Husseins gewesen.