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Schwäche Deutschlands kostet Tschechien Wachstumspunkte

10. Februar 2003

- Slowakei bangt um deutsche Investitionen

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Prag, 5.2.2003, PRAGER ZEITUNG, deutsch / Von Nicole Tesar

Deutschland in der Krise, die Tschechen blicken mit wachsender Sorge auf den großen Nachbarn. Springt die Konjunktur im größten Absatzmarkt des EU-Kandidaten nicht bald an, wird die Wachstumskurve weiter nach unten fallen. Die tschechische Wirtschaft stockt. Runtergezogen wird sie von der stärksten Wirtschaft Europas, Deutschland - dem größten Handelspartner der Tschechischen Republik. Fast 40 Prozent aller Exporte aus Tschechien gehen nach Deutschland und etwas über 30 Prozent der Importe kommen aus dem Nachbarland. Deutschlands Schwäche kann nicht ohne Wirkung auf die Tschechische Republik bleiben.

Die Analysten weisen schon seit langem auf die deutsche Schwäche hin. Marketa Sichtarova von der Volksbank CZ schätzt, dass die Rezession in Deutschland das Bruttoinlandsprodukt in Tschechien zwischen einem halben und einem Prozent senkt. David Marek vom Wirtschaftsinformationsdienst Patria Online ist überzeugt, dass das Schlimmste noch bevor stehe. Gerade das erste Jahresquartal werde noch sehr düster aussehen in Deutschland, weshalb auch in Tschechien keine Erholung zu erwarten sei. Sichtarova prognostiziert eine Verbesserung der wirtschaftlichen Situation in Deutschland erst für die zweite Jahreshälfte. Die Wirtschaftslage in Deutschland sei in Tschechien mit einer Verzögerung von rund einem halben Jahr zu spüren. Entsprechend lange werde es auch noch dauern, bis die tschechische Wirtschaft wieder ein ansehnliches Wachstum des Bruttosozialproduktes aufzuweisen habe. Bessere Zeiten seien in Tschechien deshalb frühestens für das kommende Jahr zu erwarten.

Nervöse Exporteure

Die Stimmung in Tschechien reicht von angespannt bis hämisch. Die exportabhängigen Unternehmen sind nervös, man hält sich mit Investitionen zurück und sucht neue Ausweichmärkte im Osten - bislang ohne größeren Erfolg. Bei Unternehmern, die nicht vom Export nach Deutschland abhängen, ist leichte Schadenfreude nicht zu überhören.

Die tschechischen Exporteure haben zwar bewiesen, dass sie in der Lage sind, Absatzmärkte zu verlagern und verstärkt Länder in Europa zu beliefern, die weniger stark von der Wirtschaftsflaute betroffen sind - wie Frankreich und Großbritannien.

Doch die geografischen Fakten sprechen für sich: Auch wenn die Rezession in Deutschland über Jahre anhalten würde, bliebe das Land ohne Zweifel trotzdem der wichtigste Handelspartner für Tschechien (...)

Die Exportindustrie fühlt sehr rasch, wenn die Nachfrage in Deutschland schwindet. In Euro gerechnet sind die Exporte aus Tschechien zwar um 9,1 Prozent gestiegen - in Kronen sind sie jedoch um 1,4 Prozent gefallen. (...)

Trotzdem erleben nicht alle Branchen die wirtschaftlichen Turbulenzen gleichermaßen. Am stärksten leiden die Automobilindustrie und die Textilbranche. Deutschland ist in Europa der wichtigste Automarkt. In der Textilbranche kommt noch verstärkend der Effekt der starken Krone hinzu, weil in diesem Sektor der Konkurrenzkampf über den Preis betrieben wird und nicht über die Qualität der Produkte.

Auch die Glasindustrie - Kristallgläser gehören zu den beliebten Souvenirs - ist angeschlagen. Die Glashütte Bohemia Table Top in Husinec stellt nun die Produktion ein und entlässt alle Mitarbeiter. Die Glashütte gehört dem bayerischen Unternehmen Schott Zwiesel.

Sorgen in der Slowakei

Auch in der Slowakei machen sich Sorgen breit. Große deutsche Unternehmen haben hier investiert. Die Deutsche Telekom ist über die Slovenske Telekomunikace im Geschäft, Ruhrgas, EON und RWE sind im Energiesektor eingestiegen. Führt die deutsche Rezession zu Engpässen bei den Investoren, so die Angst, kann sich dies auch negativ auf die Pläne in der Slowakei auswirken.

Als Investor sind die Unternehmen aus der Bundesrepublik kaum zu ersetzen, ihr Gesamtanteil liegt bei rund 30 Prozent. Die deutsche Schwäche könnte mittelfristig die Pläne der Regierung Dzurinda gefährden - das Kabinett will die Slowakei mit einem ehrgeizigen Reformprogramm zum Investitions-Zielland Nummer eins in der Region machen. (...) (fp)