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Schwächelnder Favorit "Kadima"

Peter Philipp28. März 2006

In den Umfragen zu den Parlamentswahlen in Israel liegt die "Kadima", die Partei des im Koma liegenden Ministerpräsidenten Ariel Scharon, vorn. Der Abstand zu den anderen Parteien ist aber nicht mehr so groß wie zuvor.

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Ehud Olmert und der große leere Stuhl ScharonsBild: AP

Der hellbraune Sessel des israelischen Ministerpräsidenten am Kabinettstisch überragt die der Minister um die Höhe der Kopfstütze. Der Sessel bleibt aber leer - auch in der letzten Kabinettsitzung vor den Wahlen. Noch ist der seit Januar im Koma liegende Ariel Scharon nominell Regierungschef und Ehud Olmert nur "amtierender Regierungschef". Olmert respektiert das und lässt Scharons Stuhl frei. Obwohl niemand glaubt, dass der todkranke Premier je wieder zurückkehren wird. Und es ist vielleicht auch ein Zeichen der bewusst gezeigten Bescheidenheit Olmerts, dass er sich staatsmännisch gibt und auf Wahlkampf am Kabinettstisch verzichtet: "Ich rufe alle Bürger Israels auf, ihr Wahlrecht wahrzunehmen. Es gibt keinen besseren und bedeutenderen Ausdruck der Bürgerrechte als mit Wahlen das Schicksal und den künftigen Charakter des Landes zu bestimmen."

Aber die Bürger scheinen sich nicht so schlüssig zu sein, dass sie tatsächlich am Dienstag (28.3.) die Geschicke ihres Landes mitbestimmen können. Die letzten Prognosen vor dem Wahltag sprachen von Politikverdrossenheit, Unsicherheit und Irritation. Und sie sagten eine nur schwache Wahlbeteiligung voraus.

Ohne den starken Mann

Das hat in gewissem Umfang damit zu tun, dass der "starke Mann" Scharon nicht mehr da ist und dass sein Nachfolger Olmert - seit vielen Jahren der erste Premier, der nicht aus dem Militär kommt - nicht das Ansehen und Vertrauen der Bevölkerung genießt, deren Scharon sich in all seiner Umstrittenheit erfreuen konnte. Aber Olmert und die noch von Scharon gegründete Partei "Kadima" (Deutsch: "Vorwärts") sind dennoch die Favoriten im Wahlkampf gewesen. Wenn auch mit deutlich nachlassendem Trend: "Kadima" hatte bei Umfragen im Januar noch auf 44 der 120 Mandate zählen können, doch war sie am letzten Wochenende auf 33 Mandate zurückgefallen. Allerdings ist sie damit immer noch stärkste Partei, gefolgt von der Arbeiterpartei und dem "Likud", die jeweils etwa nur halb so stark werden dürften.

Schimon Peres verlässt seine Partei
Schimon Peres bei seiner Ankündigung zur Kadima überzutreten, November 2005.Bild: AP

Bereits vor dem Wahltag hatten Spekulationen eingesetzt, wie Olmert wohl würde regieren können. Ohne Koalition geht das in Israel nie, aber eine starke Koalition allein mit der Arbeiterpartei würde auch nicht die erforderliche Mehrheit von 61 Mandaten bringen. Und so richtete sich der Blick wieder einmal auf die kleineren religiösen Parteien, die immer wieder Mehrheitsbringer spielen. Schimon Peres, der nach seiner Abwahl als Arbeiterpartei-Chef zu "Kadima" gewechselt war, warnte aber vor solcher Fixierung auf die Kleinen: "Das Problem ist nicht die Größe der kleinen Parteien. Das strategische Problem, das ist eine große Partei, die Frieden bringen kann."

Keine Garantie für Frieden

Eine solch große Partei aber wird es nicht geben. Und auch das Programm von "Kadima" ist nicht gerade eine Garantie für Frieden. Olmert hat übernommen, was Scharon mit dem Gaza-Streifen vorexerziert hat: Der einseitige Rückzug Israels soll - wenn auch erst nach vorherigen Absprache mit Washington - in der Westbank nachgeahmt werden. Mit dem großen Unterschied freilich, dass Olmert nur kleine Teile aufzugeben bereit ist und die künftige Grenze entlang der großen Sperranlage ziehen will, die Israel gegen alle Kritik aus dem Ausland weiterhin baut.

Wahlen in Israel
Die Likud-Partei wirbt mit Benjamin NetanyahuBild: AP

Dieser Plan wird auf das Schärfste abgelehnt vom neuen "Likud"-Chef Benjamin Netanyahu, der sich schon wegen des Gaza-Rückzuges mit Scharon überwarf: "Sie wollen den großen Rückzug durchführen, was meiner Meinung nach verheerend ist, wenn man sieht, was jetzt mit den Schüssen von Gaza in Richtung Aschkelon passiert. Sie haben wohl nichts gelernt. Sie wollen das trotzdem tun - und sie wissen, dass es nur eine Kraft gibt, die das stoppen kann." Diese eine Kraft soll natürlich der "Likud" sein, der aber keine Chancen hat, die Regierung zu bilden oder an ihr beteiligt zu werden. Olmert will nur Parteien in die Koalition holen, die sein Konzept unterstützen.

Altes Spiel unter schlechteren Bedingungen

Amir Peretz, Chef der Arbeitspartei von Israel
Amir Peretz bei einer WahlkampfveranstaltungBild: DPA

Und das wird wohl in erster Linie die Arbeiterpartei sein, deren neuer Führer, Amir Peretz, seine Partei Ende letzten Jahres aus der Koalition mit Scharon herausnahm und damit die Wahlen erzwang. Peretz ist Gewerkschaftler und niemand traut ihm ein reales Konzept für Frieden zu. Er mag noch Wähler gewinnen mit seinen Appellen für mehr Arbeitsplätze und soziale Sicherheit wie auch gegen die wachsende Armut, wenn er aber von Frieden und Sicherheit spricht, dann bleibt er wenig überzeugend: "Sicherheit - das sind nicht nur Panzer, Flugzeuge und Kriegsschiffe. Sicherheit, das sind in allererster Linie Menschen."

Und diese Menschen fragen sich jetzt, wozu das Ganze - Wahlkampf und Wahl - wenn die Arbeiterpartei am Ende doch wieder in der Koalition sitzt. Und das zu schlechteren Bedingungen als Ende letzten Jahres: Da hätte man vielleicht noch mit PLO-Chef Mahmud Abbas über Frieden reden können, inzwischen aber haben die Palästinenser "Hamas" gewählt und mit der wird es auf absehbare Zeit nichts zu verhandeln geben.