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Schwämme gegen die Ölpest

Lea Pötter10. Mai 2014

Forschern ist es gelungen, mit einem neuartigen Schwamm Öl aus Wasser zu saugen. Er könne das Desaster von Ölkatastrophen mindern, sagt die Entwicklerin Tanja Zimmermann im Interview mit der Deutschen Welle.

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Tanja Zimmermann, Leiterin der Abteilung für Angewandte Holzforschung an der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt
Bild: EMPA

Deutsche Welle: Was ist Ihre neuartige Erfindung?

Tanja Zimmermann: Wir haben einen Schwamm aus Nanozellulose entwickelt, mit dem man Öl oder auch andere organische Verunreinigungen aus dem Wasser entfernen kann. Das Gute an diesen Nanozellulose-Schwämmen ist, dass sie sehr leicht sind, an der Wasseroberfläche schwimmen und das 50- bis 100-fache ihres Eigengewichtes an Öl oder Verunreinigungen aufnehmen können.

Was ist Nanozellulose?

Jede Pflanzenfaser beinhaltet als Hauptstrukturelement Zellulose. Sie ist verantwortlich für die hohe Festigkeit. Bei einem Baum ist Zellulose unter anderem dafür verantwortlich, dass er 30 Meter hoch werden kann. Die Zellulose ist in den Pflanzenzellwänden in vielen Nanofasern organisiert. Diese bilden netzartige Strukturen. Man kann sie freilegen, indem man die Zellwände mechanisch behandelt. Das geschieht entweder durch hohen Druck oder mit spezifischen Mahlverfahren. Wenn man sie geschickt trocknet, hat man eine hochporöse Struktur, eben diese Zellulose-Schwämme.

Tanja Zimmermann, Leiterin der Abteilung für Angewandte Holzforschung an der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt
Der Schwamm wird ins Wasser eingetaucht...Bild: EMPA

Was ist das Besondere im Vergleich zu anderen Schwämmen?

Das Besondere ist, dass es sich um ein biologisch vollständig abbaubares Material handelt. Zur Herstellung von Nanozellulose braucht es kein intaktes Holz oder aufwendig gebleichten Zellstoff. Wir können Abfallstoffe aus der Agrarindustrie verwenden, zum Beispiel Weizen- oder Haferstroh, oder sogar Altpapier. In der Papier- und Zellstoffindustrie fällt zellulosehaltiger Klärschlamm an, den sie eigentlich wegschmeißen oder aufwendig entsorgen müssten. Wir können ihn aber zu wertvollem Zellulose-Nanomaterial weiterverarbeiten.

Tanja Zimmermann, Leiterin der Abteilung für Angewandte Holzforschung an der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt
...und saugt nur das rot eingefärbte Öl auf.Bild: EMPA

Außerdem verändern wir die Nanozellulose chemisch, wir silylieren sie. Ohne Silane würde sie das Wasser aufsaugen und nicht das Öl. Wir bringen die Silane mit den Zellulose-Fasern in wässriger Lösung zusammen und trocknen sie anschließend, sodass ein hochporöser Schaum entsteht.

Was sind Silane?

Silane sind chemische Verbindungen. Es gibt sie mit unterschiedlichen Polaritäten - von sehr wasserliebend bis wasserabstoßend. Das Grundgerüst besteht aus Silicium, welches verschiedene Bindungsmöglichkeiten hat. In unseren Schwämmen haben wir ein Silan, welches Wasser abstößt und Öl bindet.

Welche Erfahrungen haben Sie bis jetzt mit den Schwämmen gemacht?

Im Labor funktioniert es wunderbar. Das heißt, wir können verschiedene ölhaltige Substanzen aus dem Wasser entfernen. Die Schwämme besitzen auch einen sogenannten "Shape-Recovery-Effekt". Das heißt: Man kann sie belasten und sie gehen nach Entlastung in ihre ursprüngliche Form zurück. Wir können diese Schwämme sogar recyceln, indem wir das Öl aus dem Schwamm entfernen und ihn dann wiederverwenden.

Was erhoffen Sie sich in Zukunft von Ihrer Erfindung?

Dass wir das Material auf den Markt bringen und so einen Beitrag zum Umweltschutz leisten können. Hoffentlich kann die neue Anwendung helfen, zum Beispiel bei Ölkatastrophen das Desaster ein bisschen zu mindern. Potentielle Anwender haben wir schon, wir brauchen jetzt nur noch eine Firma, die das Material mit uns zusammen optimiert und produziert.

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Ausgelaufen: Ölteppiche wie hier im Golf von Mexiko haben schlimme Folgen für die Umwelt.Bild: picture-alliance/dpa

Wie könnten die Schwämme bei einer Ölkatastrophe zum Einsatz kommen?

Es handelt sich um Schwämme, die in verschiedenen Größen produziert werden könnten. Die sehen etwa aus wie kleine Vliesteppiche, sind extrem leicht und können auf dem Wasser schwimmen. Man müsste Sie an dem Ort, an dem das Öl ausgelaufen ist, auf das Wasser legen. Das Öl würde aufgesaugt und man müsste die vollgesogenen Schwämme später einsammeln oder abbrennen. Vielleicht geht das sogar direkt auf dem Wasser, da Zellulose fast rückstandslos verbrennt.

Das Interview führte Lea Pötter

Tanja Zimmermann leitet die Abteilung für Angewandte Holzforschung der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (empa). Dort wurden die Nanozellulose-Schwämme in Zusammenarbeit mit der Universität Bordeaux entwickelt.