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Schwarz-Gelb geht in Klausur

17. November 2009

Knapp drei Wochen nach ihrem Amtsantritt zieht sich die neue Bundesregierung in die brandenburgische Provinz zurück - vor allem um Streitfragen zu klären. Die Opposition spricht schon von Krisensitzung.

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Eisskulptur vor Schloss Meseberg (Archivfoto: AP)
Schmelzen die Reformvorhaben der FDP wie Eis in der Sonne?Bild: AP

Es ist eine Art Betriebsausflug, Ziel ist das Schloss Meseberg nördlich von Berlin. Doch ganz so fröhlich wie auf solchen Ausflügen üblich wird es für Kanzlerin Angela Merkel und ihr Kabinett wohl nicht werden. Denn es gilt, auf der zweitägigen Klausur (17.+18.11.2009) eine Reihe Streitfragen auszuräumen. Differenzen zwischen CDU, CSU und FDP gibt es vor allem in der Steuerpolitik.

"Kein Geld da"

In den vergangenen Tagen sorgte vor allem Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble bei den Liberalen für Verstimmung. In mehreren Interviews hatte der CDU-Politiker betont, dass für eine "große" Steuerreform und deutliche Steuersenkungen kein Geld da sei. Gleich zu Beginn der Kabinettsklausur will Schäuble Eckdaten für den Haushalt 2010 und für die Finanzplanung der weiteren Jahre vorlegen.

Guido Westerwelle (FOto: AP)
Beharrt auf Steuersenkungen: Guido WesterwelleBild: AP

Der FDP-Vorsitzende, Außenminister und Vizekanzler Guido Westerwelle machte nochmals deutlich, dass seine Partei an der Forderung nach einem "einfachen, niedrigeren und gerechten" Steuersystem festhalte. Dies war auch das zentrale Steuerversprechen der Liberalen. Westerwelle erklärte, die Reform werde so kommen wie im Koalitionsvertrag vereinbart und wie Kanzlerin Merkel sie in ihrer Regierungserklärung dargelegt habe. Es gehe darum, mit einer wachstumsorientierten Steuerpolitik schnell aus der Wirtschaftskrise herauszukommen.

"Ob man das große Steuerreform nennt oder ob man das mittelgroße Steuerreform nennt, das ist völlig unerheblich", betonte Westerwelle. Und frei nach Ex-Kanzler Helmut Kohl ergänzte er: "Wichtig ist, was hinten rauskommt."

Saal in Schloss Meseberg (Foto: dpa)
Schloss Meseberg: Können hier Streitpunkte geklärt werden?Bild: AP

Die Kabinettsmitglieder wollen zudem über die Gesundheitsreform debattieren. Die FDP strebt langfristig eine einkommensunabhängige Prämie an, was in den Unionsparteien jedoch umstritten ist. Konkrete Entscheidungen in dieser Frage dürften in Meseberg nicht fallen.

Häme der Opposition

Oppositionspolitiker wie Grünen-Chef Cem Özdemir attestierten Schwarz-Gelb einen "fulminanten Fehlstart". Ähnliche Worte fanden auch führende Sozialdemokraten. Die Linkspartei äußerte die Erwartung, dass die Kabinettsklausur zu einer "Krisensitzung" werde. "Keine Bundesregierung ist schneller zu einem Problem fürs Land geworden als diese Liaison von Union und FDP", meinte etwa die Parlamentarische Geschäftsführerin der Linksfraktion, Dagmar Enkelmann.

Umstrittene Personalie

Erika Steinbach (Foto: AP)
Will in den Stiftungsrat: BdV-Präsidentin SteinbachBild: AP

Überschattet werden könnte die bis Mittwochmittag dauernde Klausur vom Streit über die Besetzung des offenen Sitzes im Beirat der Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung". Westerwelles FDP ist gegen eine Berufung der Präsidentin des Bundes der Vertriebenen (BdV), Erika Steinbach. Gegen die CDU-Politikerin gibt es im Nachbarland Polen erhebliche Vorbehalte, da sie in den 90er Jahren im Bundestag gegen die Anerkennung der sogenannten Oder-Neiße-Linie als endgültige Grenze zwischen Deutschland und Polen gestimmt hatte.

Das BdV-Präsidium wird an diesem Dienstag in Frankfurt am Main - parallel zur Kabinettsklausur - über die Personalie beraten und voraussichtlich eine Entscheidung fällen. "Wir werden natürlich Frau Steinbach vorschlagen", kündigte BdV-Vizepräsident Christian Knauer an. Aus Rücksicht auf Polen will Außenminister Westerwelle jedoch Steinbach als Stiftungsrätin nicht akzeptieren und gegebenenfalls im Kabinett sein Veto einlegen.

Und sonst?

ISAF-Emblem (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance / dpa

Auf einer regulären Kabinettssitzung in Meseberg geht es auch um die Verlängerung der Bundeswehr-Einsätze in Afghanistan (ISAF), vor der libanesischen Küste (UNIFIL) und am Horn von Afrika (OEF). Die Regierung wird zudem ihre Position für den UN-Klimagipfel in Kopenhagen abstecken. Merkel will weitere Rückschläge bei den internationalen Verhandlungen um den Klimaschutz verhindern und deshalb persönlich am Klimagipfel im Dezember teilnehmen.


Autor: Christian Walz (dpa/afp/rtr/ap)
Redaktion: Reinhard Kleber