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Gegen Orbans Zensurversuch

5. Juni 2014

Der autoritäre Regierungschef Ungarns kann es nicht lassen: Nun will Viktor Orban mit einer Sondersteuer nicht genehme Medien treffen. Damit provoziert er Protest in Form von Programmausfall und geschwärzten Titelseiten.

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Monitore in ungarischen TV-Studios mit schwarzer Mattscheibe oder Testbildern (Foto: Getty Images/Afp/Attila Kisebenedek)
Bild: Getty Images/Afp/Attila Kisebenedek

Mehr als 60 ungarische Medienunternehmen haben am Donnerstag vorübergehend ihren Betrieb eingestellt, um gegen eine von der Regierung geplante Sondersteuer zu protestieren. Aus Verärgerung gegen das Gesetzesvorhaben, das einige Branchenvertreter als neuerlichen Schlag gegen die Pressefreiheit in Ungarn kritisierten, stoppten Fernseh- und Radiosender ihr Abendprogramm. Die großen Zeitungen des Landes gaben für diesen Freitag geschwärzte Titelseiten in Druck, auch Online-Nachrichtenportale beteiligten sich an der Aktion.

Zerstörerische Folgen für Medienlandschaft

Sollte der von der rechtskonservativen Regierungspartei Fidesz ins Parlament eingebrachte Gesetzesvorschlag verabschiedet werden, müssten Medienunternehmen künftig eine bis zu 40-prozentige Steuer auf ihre Werbeeinnahmen abführen. Die Fidesz dominiert das Parlament mit Zwei-Drittel-Mehrheit. Sogar Internetfirmen wie Facebook und Google sollen unter die Neuregelung fallen. Nach Branchenberechnungen würde allein RTL Klub als größter privater Medienkonzern des Landes rund die Hälfte der Steuerabgaben entrichten. Die Firma befindet sich in deutschem Besitz.

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban (Foto: Reuters)
Ungarns Ministerpräsident Viktor OrbanBild: Reuters

"Fidesz will ausländische Medienunternehmen wie RTL Klub, dessen Nachrichtenredaktion ihre kritische Haltung zur Regierung bewahrt hat, aus dem Land drängen", sagte der Medienexperte Attila Mong von der Denkfabrik Mertek der Nachrichtenagentur AFP. Nach Ansicht des RTL-Vorsitzenden in Ungarn, Andreas Rudas, soll die Steuer "unsere Unabhängigkeit und ganz allgemein die freie Meinungsäußerung in Ungarn untergraben". Der ungarische Werbeverband MRSZ sprach von einer Abgabe mit zerstörerischen Folgen für die Medienlandschaft in dem EU-Staat.

Noch ein anderer Fall wirft ein schlechtes Bild auf die "Medienpolitik" der Budapester Regierung. Vor einigen Tagen wurde der Chefredakteur des unabhängigen Online-Nachrichtenportals "Origo.hu", Gergö Saling, abrupt entlassen. "Origo.hu" hatte in den vergangenen Wochen eine Reihe kritischer Artikel über Janos Lazar, den Büroleiter von Ministerpräsident Viktor Orban veröffentlicht. Lazar soll demnach bei zahlreichen, nicht näher erläuterten Auslandsreisen Hotelrechnungen aus öffentlichen Mitteln bezahlt haben.

Janos Lazar, der Büroleiter des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban (Foto: "Getty Images/Afp/Attila Kisbenedek)
Sorgte der Orban-Vertraute Lazar für die Entlassung des Chefredakteurs des unbequemen Nachrichten-Portals?Bild: Getty Images/Afp/Attila Kisbenedek

Tochter der Deutschen Telekom

Die Webseite "444.hu" berichtete nun unter Berufung auf einen Informanten aus Regierungskreisen von einer Intervention der Regierung in Budapest. Demnach soll Lazar bereits Ende vergangenen Jahres wegen "Origo.hu" Druck auf das Telekom-Unternehmen Magyar Telekom ausgeübt haben. Druckmittel soll die Verlängerung von dessen Mobiltelefon-Konzessionen gewesen sein. "Origo.hu" gehört Magyar Telekom, dieses Unternehmen ist wiederum eine Tochter der Deutschen Telekom.

Ungarns autoritär regierender Ministerpräsident Orban hat mit der Zwei-Drittel-Mehrheit seiner Fidesz-Partei bereits unzählige Gesetze durch das Parlament gepaukt und die Gewaltenteilung faktisch ausgehebelt. Der wiederholt von der EU-Kommission gerügte Regierungschef ließ treue Gefolgsleute an die Spitze wichtiger Behörden und Gremien setzen, die Medien wurden faktisch einer staatlichen Zensur unterworfen. Vertrauensmänner Orbans ziehen inzwischen die Fäden am Verfassungsgerichtshof, bei der Justiz, im Rechnungshof, bei der Wahlkommission, bei den Kammern für Finanzaufsicht und Wettbewerb, bei der Zentralbank - und in der Medienaufsichtsbehörde.

sti/se (afp,dpa)