1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Schwebende Tiere in 3D

17. Oktober 2011

Im Fernsehen und im Kino ist 3D voll im Trend. Mathematiker und Wildtierforscher aus Berlin nutzen das: Sie haben 3D-Modelle von Eisbären, Geparden & Co entwickelt, die sich als Hologramme in den Raum projizieren lassen.

https://p.dw.com/p/12s05
Das 3D-Modell einer Gepardin am Computerbildschirm (Foto: IZW, 3D-Labor der TU Berlin)
Das 3D-Modell einer Gepardin am ComputerbildschirmBild: IZW, 3D-Labor der TU Berlin

Tiermediziner Thomas Hildebrandt macht es spannend: Er holt einen Schlüssel hervor und öffnet einen klinisch weißen Laborraum. Er geht ein paar Schritte durchs Labor und entriegelt dann noch eine schwere Sicherheitstür. In dem Raum dahinter steht ein fast zimmergroßer Computertomograph. Die Klimatechnik, die Gerät und Raum herunterkühlt, brummt laut und beständig.

Der Computertomograph, kurz auch CT genannt, ist der Schatz am Leibnitz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin: Auf einem Tisch, der speziell in Japan hergestellt wurde, können bis zu 300 Kilogramm schwere Wildtiere liegen und anschließend vom CT in millimeterfeinen Schichten geröntgt werden.

Wölfe und Seeadler im CT

Eine Löwin liegt im Computertomographen am Berlin Leibnitz-Institut für Zoo-und Wildtierforschung (IZW) (Bild: IZW, Toshiba)
Löwin im ComputertomographenBild: IZW, Toshiba

Und Patienten gibt es viele am Berliner Institut. "Wir untersuchen beispielsweise Bleierkrankungen bei Seeadlern aber auch Tiere aus Zoos, bei denen die Diagnosefindung sehr schwierig ist", sagt Thomas Hildebrandt. "Und wir sind Referenzzentrum für alle Wölfe, die in Deutschland verunglücken", fügt er hinzu. Neben Wölfen und Seeadlern haben die Forscher aber auch schon eine Riesenschildkröte aus Wien, Geparden, Nacktmulle und verschiedene Haustiere untersucht. Selbst der im Frühjahr dieses Jahres verstorbene Berliner Eisbär Knut wurde im CT durchleuchtet – mit seinen stattlichen 304 Kilogramm passte er gerade noch so in das Gerät.

Bei der Untersuchung gleiten Tiere und Tisch schließlich langsam durch die kreisrunde Öffnung des CT: In ihr entsteht dank Röntgenstrahlungen alle 0,5 Millimeter ein neues Querschnittbild des Tierkörpers. Bei großen Wildtieren kommen so schnell zwei- bis viertausend Einzelbilder zusammen. In verschiedenen schwarzen, weißen und grauen Schattierungen lassen sich auf diesen Bildern schließlich Knochen, Gewebe und selbst die einzelnen Organe der Tiere erkennen.

Mathematiker fügen Einzelbilder zusammen

Als sie von diesem riesigen Bildfundus hörten, rief das die Mathematiker der TU Berlin um Professor Hartmut Schwandt auf den Plan. Ihre Idee: Alle Einzelbilder könnten zusammengefügt ein 3D-Modelle der geröntgten Tierkörper ergeben. Um die 3D-Modelle der Wildtiere zu erstellen, fügen die Mathematiker in einem aufwändigen Rechenprozess zunächst alle Einzelaufnahmen zusammen. "Anschaulich gesagt machen wir dabei nichts anderes, als diese tausenden Querschnittbilder zusammenzukleben", erklärt Schwandt. Die Rechenkapazität dahinter ist allerdings gewaltig: Allein um das 3D-Modell einer Gepardin zu erstellen, brauchte es mehrere Tage. Am Computerbildschirm entsteht so schließlich der dreidimensionale Tierkörper: So lässt sich beispielsweise das Skelett samt Schädel und Wirbelsäule abbilden - und am Bildschirm auch eindrucksvoll vorführen.

Tierische 3D-Modelle am Computerbildschirm

Doch die 3D-Modelle von Gepardin, Eisbär & Co sind nicht nur für den Computerbildschirm gedacht. Die Daten können auch als eine Art Hologramm in den Raum projiziert werden. An der TU Berlin lässt sich das bereits erleben. Der wissenschaftliche Mitarbeiter Ben Jastram schließt eine unscheinbare Tür auf und führt in einen abgedunkelten Saal, der vollgestellt ist mit Computertechnik. Neben zahlreichen Rechnern für die Bildverarbeitung befinden sich hier auch drei Leinwände, die im rechten Winkel zueinander aufgebaut sind.

Hinter jeder der drei Leinwände gibt es zwei Beamer, die verschiedene Perspektiven des gleichen Objekts in den Raum projizieren. Der Nutzer bekommt jetzt einen Joystick in die Hand gedrückt und eine 3D-Brille auf die Nase gesetzt. Eine Kamera, die über einer der Leinwände angebracht ist, filmt schließlich noch seine Bewegungen.

Gepardenschädel schwebt im Raum

Je nachdem, an welcher Stelle zwischen den Leinwänden sich der Nutzer befindet, werden die verschiedenen Bildperspektiven von der 3D-Brille empfangen. Auf dem einen Auge kommt beispielsweise das Bild vom vorderen Schädelbereich der Gepardin an, auf dem anderen Auge das gleiche Bild, nur aus einem etwas anderen Winkel. Wie auch beim Sehen mit zwei gesunden Augen entsteht so ein 3D-Effekt im Gehirn – wir sehen räumlich.

Ben Jastram startet die Projektion - und tatsächlich: Plötzlich erscheint im Raum zwischen den Leinwänden der dreidimensionale Schädel der Gepardin - und es fühlt sich an, als würde das farbige Objekt direkt vor einem schweben. Mit dem Joystick in der Hand kann man den Schädel drehen, heranziehen und vergrößern, dann durch ein Nasenloch bis in die Mundhöhle des Tieres laufen, dort die mächtigen weißen Raubzähne ansehen. "Durch den Bewegungssensor können wir die Bildprojektion in wenigen Millisekunden an den jeweiligen Standpunkt des Nutzers anpassen", erklärt Ben Jastram, "dadurch können wir mit dem Objekt auch interagieren, etwas, was im Kino so nicht möglich ist."

Nutzen für den Naturschutz

Die 3D-Projektionen der Wildtiere sind nicht nur sehr sinnlich, sie haben auch einen echten wissenschaftlichen Nutzen. "Wir können anhand der Projektionen beispielsweise etwas über die Anatomie von Wildtieren lernen, ohne sie töten und sezieren zu müssen", sagt Jastram. Selbst steinerne Fossilien können durch die CT-Bilder zu sinnlichen 3D-Objekten werden, die verraten, wie es in ihrem Inneren aussieht.

"Nützlich sind die Projektionen aber auch für den Naturschutz", sagt Thomas Hildebrandt vom Institut für Zoo- und Wildtierforschung. So könnten sie künftig etwa die ausgestopften Tiere in Museen ergänzen und dem Besucher sehr anschaulich die Anatomie der Tiere zeigen. "Und das sensibilisiert auch für einen bewussteren Umgang mit der Natur", glaubt Hildebrandt. Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter Weg: Denn Rechenaufwand und Kosten für die 3D-Projektionen sind hoch – bis zu einer möglichen Massenanwendung wird es daher wohl noch einige Jahre dauern.


Autor: Thomas Gith
Redaktion: Andreas Sten-Ziemons