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Schweigende Mönche als Kassenschlager

Die Fragen stellte Deanne Corbett (chr)31. Januar 2006

Mit "Die große Stille", einer dreistündigen Dokumentation über Kartäuser-Mönche in den französischen Alpen, landete der Regisseur Philip Gröning einen Überraschungserfolg. DW-WORLD hat den Regisseur interviewt.

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Der Film gewährt Einblicke in das Leben der MöncheBild: Picture-Alliance/Agentur

Der deutsche Filmemacher Philip Gröning ist alles andere als ungeduldig. Vor fast zwanzig Jahren wandte er sich an die Mönche des Kartäuser-Ordens und bat sie, eine Dokumentation über ihr Leben drehen zu dürfen. Ihm wurde gesagt, für einige Mönche, die erst kürzlich dem Orden beigetreten waren, sei es noch zu früh dafür – sie bräuchten ungefähr zehn Jahre um sich an das Leben im Kloster zu gewöhnen.

Gröning ließ sich nicht abschrecken und hielt den Kontakt mit dem Prior. 2002 schließlich schloss er sich den zurückgezogenen Mönchen für mehrere Monate an und fing Eindrücke des Lebens dort ein. Der Orden gilt als strengster der römisch-katholischen Kirche. Der daraus entstandene Film wurde mit lobenden Kritiken überschüttet und spielt zurzeit in den deutschen Kinos, wo er grade zu einem Überraschungshit wird und die magische 100.000-Zuschauer-Marke überspringt.

DW-WORLD: Sind Sie über den Erfolg Ihres Films überrascht?

Philip Gröning: Nicht so sehr wie die Verleiher, die sind überraschter. Ich wusste, dass die Zuschauer froh über diese Erfahrung sein würden. Diese besondere Struktur von Zeit und diese meditative Art des Lebens. Ich dachte, wenn der Film erstmal in den Kinos ist und mit den Zuschauern in Kontakt kommt, würden die Leute anfangen, den Film weiterzuempfehlen und genau das ist passiert.

Warum haben Sie diesen Film gemacht?

Philip Gröning - Regisseur
Philip GröningBild: philip gröning

Die ursprüngliche Idee kam mir 1984 als ich an der Filmhochschule war. Ich hatte meinen ersten Kurzfilm beendet und war überwältigt von dem Chaos und den Machtspielen bei der Film-Arbeit. Ich wollte etwas machen, das mich zurückbringt zu dem was ich als künstlerische Arbeit empfinde. Das bedeutet für mich, mit Wahrheit zu arbeiten und zu versuchen, etwas sehr Absolutes zu schaffen. So kam ich zu der Idee mit dem Schweige-Kloster. Und dann dauerte alles sehr lange.

Es hat 17 Jahre gedauert!

1986 habe ich das erste Mal mit einem Freund, mit dem ich den Film machen wollte, ein sehr kleines Kartäuser-Kloster besucht. Sie sagten, es sei ein schönes Projekt, aber es sei zu früh. Einige Mönche seien erst vor kurzem in das Kloster aufgenommen worden und sie bräuchten zehn Jahre, um sich einzugewöhnen. Wir dachten, es sei ein totes Projekt. Aber ich blieb mit ihnen in Kontakt und 1999 riefen sie mich an und fragten, ob ich immer noch Interesse hätte. Es dauerte eine Weile, bis ich die Drehgenehmigung und das Geld hatte und dann fingen wir 2002 an zu drehen.

Einige Kritiker haben bemängelt, der Film habe keine Erzählstruktur. Warum haben Sie sich entschlossen, den Film auf diese Weise zu drehen?

"Die große Stille" - Filmstill
Film-SzeneBild: philip gröning

Wir leben in einer Zeit, in der Informationen überall verfügbar sind und Erfahrungen immer seltener werden. Ein Film über ein Kloster, der alle Informationen über das Kloster gibt – wann stehen die Mönche auf, wann wurde der Orden gegründet – wäre Zeitverschwendung für den Zuschauer, weil er all das in zwei Minuten auf der Webseite des Ordens oder auf meiner Webseite finden kann. Ich als Regisseur habe mich entschieden, einen Film zu machen, der einen Raum für Erfahrungen schafft und der den Zuschauer diese Erfahrung erleben lässt. Natürlich gibt es Leute, die sagen der Film erzähle einem nicht viel über das Kloster, aber das ist falsch. Der Film erschafft das Kloster für den Zuschauer.

Um das auf der Leinwand möglich zu machen, haben sie während der Dreharbeiten bei den Mönchen gelebt. Wie war das für Sie?

Es war eine gute Erfahrung. Das war der Hauptgrund für mich den Film zu drehen. Zu Anfang war ich sehr traurig und einsam. Wenn nicht gesprochen wird, fängt man wirklich an, darüber nachzudenken was man tut und dann kommt eine Leere. Dann hat sich das geändert und langsam wurde die Wahrnehmung sehr viel klarer und ich hatte ein sehr beruhigendes Gefühl. Alles was du siehst oder hörst macht dich glücklich als menschliches Wesen. Es ist eine merkwürdige Sache dass wenn du es schaffst, nicht über den nächsten Augenblick nachzudenken und nicht zu viele Pläne zu machen – dass es dann auf eine Art das pure Glück ist. Es macht dich einfach glücklich.

War es schwierig für Sie wieder in Ihr altes Leben zurückzukehren als Sie das Kloster verlassen haben?

"Die große Stille" - Filmstill
Das Kloster der KartäuserBild: philip gröning

Hauptsächlich wurde mir bewusst, nachdem ich diese Erfahrung gemacht hatte, mit Menschen zu leben, die ziemlich frei von Ängsten sind, wie Angst gesteuert unsere Gesellschaft ist. Wir neigen dazu zu sagen, unsere Gesellschaft sei von Konsum und Gier angetrieben, aber das stimmt nicht. Gier, Konsum, der Wunsch nach einem neuen Porsche zum Beispiel ist die Verschleierung für pure Angst. Es ist eine fast panische Gesellschaft und das war schwierig zu akzeptieren.

Eine Reihe von Dokumentationen sind in der letzten Zeit auf breiten Zuspruch gestoßen. Glauben Sie, dass das Genre ein Comeback feiert?

Ich glaube definitiv an ein Comeback des Dokumentarfilms. Das liegt vielleicht daran, dass die Dramaturgie des normalen Films so kalkulierbar geworden ist. Man weiß so lange im Voraus, dass man in zwei Minuten heulen soll und bam, passiert es. Ich glaube, die Leute sind langsam genervt davon und sie mögen die Überraschung und die Rohheit einer Dokumentation, weil man viel mehr Bezug nehmen kann auf das was man selbst ist. Und das ist wichtig fürs Kino.