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"Schweiz ist Geheimtipp"

Die Fragen stellte Christine Harjes12. März 2004

Folkert Maecker, 28, ist einer der vielen deutschen Ärzte, die es zum Arbeiten in die Schweiz zog. Er arbeitet in der Chirurgie des Spitals Bern-Tiefenau. Im Interview mit DW-WORLD berichtet er von seinen Erfahrungen.

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Fühlt sich in der Schweiz wohl: der Deutsche Folkert MaeckerBild: Folkert Maecker

DW-WORLD:

Wieso arbeiten Sie in der Schweiz?

Folckert Maecker:

Ich bin 2002 als Medizinstudent im "Praktischen Jahr" das erste Mal in die Schweiz gekommen. Unter Medizinstudenten gilt die Schweiz schon lange als Geheimtipp und viele Kollegen versuchen, für drei bis vier Monate in die Schweiz zu gehen. Nach dem dritten Staatsexamen habe ich mich dann hier auf eine Assistenzarzt-Stelle beworben. Das ist jetzt also meine erste Stelle und im Vergleich zu Deutschland wurde ich hier nicht als Arzt im Praktikum eingestellt, sondern konnte direkt nach dem dritten Staatsexamen als Assistenzarzt anfangen. Es lohnt sich für jeden Mediziner, sich einmal anzuschauen, wie schön die Arbeit sein kann, wenn man miteinander arbeitet und vor allen Dingen, wenn das Gesundheitssystem noch nicht so ruiniert ist wie in Deutschland. Viele Kollegen sagen auch, in der Schweiz sei es so wie in Deutschland vor 20 Jahren. Und außerdem ist die Schweiz einfach wunderschön.

Zahlt sich der Wechsel in die Schweiz auch finanziell aus?

Ja, es zahlt sich auf jeden Fall aus. Ich verdiene hier drei Mal so viel wie meine Kollegen, die genauso weit sind wie ich und in Deutschland als "Ärzte im Praktikum" arbeiten.

Was läuft an schweizerischen Krankenhäusern anders als in Deutschland?

Ich kann nur von dem Spital sprechen, an dem ich jetzt tätig bin, aber ich habe den Eindruck, dass der Umgangston insgesamt höflicher und freundlicher ist. Man wird früher ernst genommen; das zeigt ja auch der Status, mit dem man hier eingestellt wird. Man arbeitet sofort als Assistent. Das heißt, es wird einem zugetraut, dass man nach dem Studium direkt in dem Beruf arbeiten kann. Das heißt aber natürlich nicht, dass man hier nicht auch weiter angeleitet wird. Und die Hierarchien sind flacher als in Deutschland: Man duzt sich allgemein im Spital, auch mit den Oberärzten und man findet überall ein offenes Ohr und hat keine Skrupel, die Vorgesetzten anzusprechen.

Aber es gibt natürlich nicht nur die schönen Seiten: Die Ärzte in der Schweiz arbeiten sehr viel. So war im vergangenen Jahr in unserem Spital eine 55-Stunden-Woche für Ärzte vorgeschrieben. Darüber hinaus wurden Überstunden aber vergütet. Das ist in deutschen Krankenhäusern überhaupt nicht mehr selbstverständlich. Die Kollegen in Deutschland arbeiten sicherlich mindestens genauso lange, werden aber mit 38,5-Stunden-Verträgen eingestellt und diese werden dann auch nur bezahlt. Das heißt, in der Schweiz geht es einfach ehrlicher zu.

Gibt es im Alltag große Unterschiede zum Leben in Deutschland?

Wenn man in die deutschsprachige Schweiz geht, denkt man zuerst, die Leute hier würden nur einen Dialekt sprechen. Das ist nicht so. Das Schweizer-Deutsch ist eine eigene Sprache und da muss man sich erstmal reinhören. Das sollte man wissen, obwohl man die Sprachbarriere relativ schnell überwindet. Die Schweizer sind aber in der Regel auch so höflich und freundlich, dass sie sofort ins Hochdeutsche wechseln, wenn sie merken, dass man aus Deutschland kommt.

Planen Sie nach Deutschland zurückzugehen?

Da überlege ich im Moment noch. Bis Ende des Jahres bin ich hier noch angestellt und werde mich dann entweder auf Stellen in der Schweiz bewerben oder gegebenenfalls wieder nach Deutschland zurückgehen. Dabei behagt mir der Gedanke, für die Arbeit nach Deutschland zurückzugehen, eigentlich nicht.