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Schweizer Gesundheitssystem - ein Vorbild?

Insa Wrede17. Oktober 2003

Das Gesundheitssystem der Schweiz taucht immer wieder in den deutschen Reformdiskussionen auf. Aber eignet sich das Land wirklich als Vorbild?

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Der Alpenstaat hat seine eigenen ProblemeBild: Bilderbox

Das Besondere des Schweizer Gesundheitssystem ist: Jeder Schweizer zahlt einen festen Beitrag in die Krankenversicherung ein. Diese so genannte Kopfpauschale ist unabhängig vom Einkommen und variiert von Kanton zu Kanton. Wer nur sehr wenig verdient, wird vom Staat unterstützt. Mit diesem Festbetrag sichern sich die Schweizer eine Grundkrankenversicherung. Darüber hinaus können sie freiwillige Zusatzversicherungen abschließen.

Anreize für Kostensenkung

Trotz Grundversicherung müssen die Schweizer bei jedem Arztbesuch in die eigene Tasche greifen. Diese Selbstbeteiligung ist jedoch auf einen maximalen Betrag pro Jahr begrenzt. Die Schweizer haben aber die Möglichkeit ihre Kopfpauschale zu reduzieren. Wer bereit ist mehr als den maximalen Betrag selber zu bezahlen, bekommt einen geringeren Festbetrag. Ebenso zahlen diejenigen niedrigere Pauschalen, die die Krankenkasse gar nicht in Anspruch nehmen. Mit diesen Systemen sollen die Kosten für Krankheiten möglichst gering gehalten werden.

Schweizer Reformziele

Als die Schweizer ihr Gesundheitssystem 1996 reformierten, wollten sie vor allem die hohen Kosten in den Griff bekommen. Außerdem sollte das Gesundheitssystem solidarisch von allen Schweizern finanziert werden. Gleichzeitig wollten sie die Qualität der Krankenversorgung auf hohem Niveau halten.

Kopfpauschale für mehr Solidarität

Egal wie alt jemand ist, ob er für bestimmte Krankheiten besonders anfällig ist, welches Geschlecht er hat und wie viel er verdient - alle Bürger zahlen für die Krankenversicherung. Daher kommt das Schweizer Bundesamt für Sozialversicherung zu dem Ergebnis: Ja, die Solidarität wurde durch die Schweizer Reform 1996 gestärkt. Alle Schweizer erhalten die gleichen Leistungen und der Umfang der Leistungen wurden sogar erweitert.

Solidarität besteht jedoch nicht zwischen Arm und Reich. Schweizer, die wenig verdienen, müssen einen größeren Anteil ihres Einkommens für die Krankenversicherung aufbringen als Schweizer, die gut verdienen. Betroffen sind besonders diejenigen, die gerade so viel verdienen, dass sie keine staatlichen Zuschüsse mehr erhalten.

Zum Vergleich: Die Deutschen zahlen einen prozentualen Beitrag von ihrem Einkommen in die Krankenversicherung. Die gesetzliche Krankenversicherung wird nur von den abhängig Beschäftigten und ihren Arbeitgebern finanziert. Der Grund: Versicherungszwang besteht nur bis zu einem bestimmten Einkommen. Wer mehr verdient, wer Beamter oder Selbständiger ist, kann sich privat versichern. Da aber gerade diese Gruppen weniger Kosten verursachen, besteht auch im deutschen System keine Solidarität.

Vorteil: Konjunkturunabhängig?

Das Schweizer Modell ist nicht wie das deutsche allein davon abhängig, wie viele Beschäftigte Geld in die Kassen der Krankenversicherung bringen. Durch die vom Einkommen unabhängige Kopfpauschale ist das System auch in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit und Frühverrentung stabiler.

In Deutschland kommt die gesetzliche Krankenversicherung vor allem deswegen in finanzielle Engpässe, weil wegen hoher Arbeitslosigkeit und des seit Jahren nur schwachen Anstiegs der Einkommen aus abhängiger Beschäftigung zu geringe Einnahmen erzielt werden.

Kopfpauschale für mehr Arbeit

In der Schweiz beteiligt sich der Arbeitgeber nicht an der Krankenversicherung seiner Arbeitnehmer. Dagegen finanzieren in Deutschland die Arbeitgeber die Hälfte der Krankenversicherung ihrer Arbeitnehmer. Durch die Einführung einer Kopfpauschale würden die Lohnnebenkosten in Deutschland sinken. Davon erhoffen sich deutsche Politiker mehr Arbeitsplätze.

Kostensenkung? Fehlgeschlagen!

Die Qualität der Versorgung wird nicht nur von den Schweizer Politikern als hervorrangend eingestuft. Der Haken: Die Schweiz hat das zweitteuerste System der Welt. Nur in den USA wird noch mehr Geld für Gesundheit ausgegeben. Die Kosten konnten durch die Reform 1996 nicht gesenkt werden. Sowohl die Kopfpauschalen als auch die Selbstbeteiligung ist ständig gestiegen. Gerade für Deutschland mit dem weltweit drittteuersten Gesundheitssystem ist es aber wichtig, dass die Kosten nicht explodieren.