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Schweizer planen Atomausstieg

25. Mai 2011

Die Schweizer Regierung hat beschlossen, bis zum Jahr 2034 aus der Atomenergie auszusteigen. Die bestehenden Schweizer AKWs sollen nach dem Ende ihrer Betriebsdauer nicht ersetzt werden.

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Atomkraftwerk in der Schweiz (Foto:
Die Schweiz verfügt über fünf KernkraftwerkeBild: AP

Die vorhandenen fünf Atomkraftwerke in der Schweiz sollen am Ende ihrer Betriebsdauer nicht ersetzt werden, hieß es vom Mittwoch (25.05.2011) in einer Empfehlung der Regierung an das Parlament. Im Einzelnen bedeutet das: Entsprechend seines Baujahrs soll der Reaktor Beznau I im Jahr 2019 als erster vom Netz gehen. Beznau II und Mühlberg sollen 2022 und Gösgen 2029 folgen. Als letzter Atomreaktor soll Leibstadt im Jahr 2034 stillgelegt werden.

Die Abgeordneten sollen vom 8. Juni an über den Atomausstieg beraten. Mit einer Entscheidung wird Mitte Juni gerechnet. Das Parlament folgt üblicherweise den Entscheidungen der Regierung.

Das Atomkraftwerk Leibstadt in der Schweiz (Foto: dpa)
Bis 2034 sollen alle Atomkraftwerke vom Netz genommen werdenBild: picture-alliance/dpa

Von den fünf Schweizer AKW, die sich auf vier Standorte verteilen, liegen drei im Grenzbereich zu Süddeutschland. Für eine vorzeitige Stilllegung sieht die Regierung derzeit trotz des schweren Atomunfalls in Japan keinen Anlass. So hätten aktuelle Prüfungen der Kraftwerke ergeben, dass es für den Betrieb der Schweizer Kernkraftwerke zurzeit keine Sicherheitsbedenken gebe. Nach den vorgenommenen so genannten Stresstests könnten alle Kraftwerke vorerst am Netz bleiben - trotz Schwachstellen bei der Lagerung von Brennelementen.

Schrittweise das Energiesystem umbauen

Indem das Land Schritt für Schritt aus der Kernenergie aussteigt, bleibt nach Ansicht der Regierung Zeit, um eine neue Energiepolitik umzusetzen. Diese Zeit sei erforderlich, um einen geregelten Übergang zu alternativen Energien zu gewährleisten. Derzeit werden etwa 60 Prozent des Stroms in der Schweiz durch Wasserkraft und 40 Prozent durch Atomkraft erzeugt. Der Umbau der Stromversorgung werde voraussichtlich zwei bis vier Milliarden Franken (1,6 bis 3,2 Milliarden Euro) kosten.

Das Wasserkraftwerk Mühleberg in der Schweiz (Foto: Picture alliance/Keystone)
60 Prozent des Stroms in der Schweiz wird durch Wasserkraft gewonnenBild: picture alliance/Keystone

Die Regierung setzt beim Umbau des Energiesystems auf einen Mix aus zahlreichen Maßnahmen. Im Mittelpunkt steht der Ausbau der Wasserkraft und anderer erneuerbarer Energien, um den Wegfall der Atomkraftwerke auszugleichen. Notfalls müsse Strom importiert werden. In ihrer Erklärung forderte die Regierung Städte und Kommunen auf, ein Beispiel zu setzen, indem sie einen größtmöglichen Teil ihres Strom- und Wärmebedarfs aus erneuerbaren Quellen deckten.

Schweizer müssen Strom sparen

Zudem sollen stärkere Anstrengungen beim Stromsparen gemacht werden. Laut heutigen Prognosen steigt die Stromnachfrage bis ins Jahr 2050 auf jährlich rund 90 Milliarden Kilowattstunden. Im Jahre 2010 waren es etwa 60 Milliarden Kilowattstunden. Gemäß der Ausstiegsstrategie muss die Schweiz daher in den nächsten Jahren vor allem Strom sparen. Entsprechend appellierte die Regierung auch an die Industrie, ihren Energieverbrauch zu reduzieren. Zuletzt hatten vor allem Wirtschaftsverbände Bedenken wegen einer möglichen Energieknappheit und stark steigender Stromkosten angemeldet, sollte es zu einem überhasteten Atomausstieg kommen.

Die Regierung erklärte zudem, sie sei überzeugt, dass der Atomausstieg Firmen im Bereich der Umwelttechnologien stärken und damit Arbeitsplätze schaffen werde. Sie rechnet für den Bau neuer Kraftwerke und für Maßnahmen zur Stromeinsparung mit jährlichen Kosten in Höhe von 0,4 bis 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Schweizer protestieren gegen Atomenergie

Anti-Atomkraft-Proteste in der Schweiz (Foto: dpa)
Zehntausende Schweizer demonstrierten am Sonntag gegen AtomenergieBild: picture alliance/dpa

In der Schweizer Bevölkerung stieg der Widerstand gegen die Atomkraft seit der Katastrophe im japanischen Atomkraftwerk von Fukushima zuletzt deutlich an. Noch am Sonntag nahmen rund 20.000 Menschen an der größten Anti-Atom-Kundgebung seit 25 Jahren in der Schweiz teil. Sie kamen im Kanton Aargau an der deutschen Grenze unter dem Motto "Menschenstrom gegen Atom" zusammen. Die Demonstration war von einem Zusammenschluss von 150 linken und ökologischen Gruppierungen organisiert worden und fand in der Nähe des Atomkraftwerks Beznau im Ostaargau statt.

In Deutschland will die Bundesregierung die Eckpunkte ihrer künftigen Energiestrategie am 6. Juni festlegen. Die CSU hatte sich am Wochenende für eine Abschaltung der AKW bis 2022 ausgesprochen. Opposition und Umweltverbände treten für einen schnelleren Ausstieg ein. Widerstand gegen die von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) angekündigte Festlegung eines konkreten Datums für den Atomausstieg gibt es aus Industrie und FDP.

Autorin: Naima El Moussaoui (dpa, afp, dapd, rtr)

Redaktion: Martin Schrader