1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Aktien aus Schwellenländern - Ende einer Euphorie

28. Februar 2011

In den letzten Monaten waren sie der Geldanlage-Tipp schlechthin: Schwellenländer-Aktien. Doch nun hat ein altes Problem von neuer Qualität den Trend jäh gestoppt.

https://p.dw.com/p/R3qu
Chinesischer Aktienanleger blickt auf den Kursverlauf seiner Anlage (Foto: AP)
Auch in China kämpfen Aktien-Anleger mit InflationBild: AP

Die Finanzminister und Zentralbanker der Schwellenländer haben es kommen sehen. Anstatt sich über das Geld ausländischer Anleger zu freuen, wollten sie es lieber erst gar nicht haben. Und seit Revolutionen in der arabischen Welt ausgebrochen sind, ist wahr geworden, was die Finanzminister und Zentralbanker befürchtet hatten: Internationale Anleger nähmen ihr Geld aus Ländern heraus, die nichts mit der arabischen Welt zu tun hätten, sagt Maria-Laura Lanzeni von DB Research. "Ich glaube, es ist ein strukturelles Problem einiger Anlegergruppen, die in Schwellenländer investieren." Viele Investoren hätten zwar die Schwellenländer als Anlage-Trend entdeckt, wüssten aber wenig über sie.

Äpfel und Birnen in einem Paket

Südkoreanische Flagge (Foto: J. Sorges)
Auch Südkorea zählt zu den Next-ElevenBild: J. Sorges

Es ist aber nicht nur ein strukturelles Problem der Anleger, die nichts über die Schwellenländer wissen wollen, außer wie hoch die Renditeaussichten dort sind. Und die waren in letzter Zeit mehr als gut. Es ist auch ein strukturelles Problem der Anlagen selbst, glaubt Lanzeni. In letzter Zeit lagen beispielsweise Papiere im Trend, die die sogenannten Next-Eleven-Staaten abbildeten, Länder, die nach den BRIC-Staaten als heimliche Wachstumskandidaten gelten. Ägypten zählt ebenso dazu wie Mexiko oder die Türkei. Reagieren die Anleger negativ auf eines der elf Länder, trifft es automatisch alle.

Robert Halver von der Baader Bank sieht in der Krise der arabischen Welt allerdings kein ernsthaftes Problem für die Aktienmärkte der Schwellenländer. Die Krise werde erst dann für die Märkte virulent, wenn die Ölversorgung eingeschränkt werde, glaubt er: "Dann hört der Spaß auf!"

Angst vor Inflation

Die Demonstrationen und Unruhen in der arabischen Welt, da sind sich Emerging-Market-Experten weitgehend einig, sind ohnehin nicht der eigentliche Grund dafür, dass Anleger ihr Geld aus den Aktienmärkten der Schwellenländer abziehen. Seit Anfang Februar waren es zehn Milliarden Dollar, die abflossen. "Wir glauben", sagt Christian Preussner von JP Morgan Asset Management, "dass der Inflationsgedanke das viel wichtigere Risiko ist." In den letzten anderthalb Jahren seien vor allem Lebensmittel zum Preistreiber Nummer eins geworden. Rohstoffe, Immobilien oder der Konsum außerhalb von Nahrungsmitteln hätten dagegen weit weniger zur Preisinflation beigetragen. Nach Preussner haben in den letzten Wochen und Monaten vereinzelte Dürren in Schwellenländern das Thema schließlich noch einmal angeheizt. Exporte seien zurückgegangen, die betroffenen Länder hätten mehr importieren müssen.

Kuh liegt auf einem ausgetrockneten Stück Land (Foto: AP)
Naturkatastrophen verschlimmern die Auswirkungen der US-GeldpolitikBild: AP

Schuld an den hohen Lebensmittelpreisen, so Robert Halver, sei aber vor allem die Notenbank der USA, die seit der Finanzkrise massiv Geld in die Märkte gepumpt habe, so dass mittlerweile auch mit Rohstoffen und Nahrungsmitteln spekuliert werde. Länder wie Brasilien, Indonesien, Indien und zuletzt China hätten das Inflationsproblem auch erkannt und ihre Zinsen - oft mehrfach - angehoben, "während man in Amerika die Inflationierung munter laufen lässt", kritisiert Halver und fügt auch gleich die Erklärung für Amerikas Geldpolitik hinzu: "Inflationierung ist immer auch ein wunderbares Mittel, um Staatsschulden klein zu kriegen." Die vergleichsweise hohen Zinsen in den Schwellenländern aber sind Gift für die dortigen Aktienmärkte.

Etablierte Märkte wieder attraktiv

Ein grüner Pfeil zeigt vor US-Dollar-Noten nach oben (Foto: )
Die Wirtschaft wächst wieder - auch in den USABild: AP

In den Industriestaaten hingegen gibt es nicht nur niedrigere Zinsen, dort haben auch Konjunkturprogramme dazu geführt, dass die Aktienmärkte wieder attraktiv werden: Das Wirtschaftswachstum in den USA und auch in Deutschland als wichtigste Wirtschaftsmacht innerhalb der Europäischen Union ist wesentlich besser als man nach der Krise erwartet hatte. Das Vertrauen der Konsumenten steigt. Zusammen mit vergleichsweise niedrigen Zinsen macht das die Aktienmärkte der etablierten Staaten wieder attraktiv. Und so hat der MSCI World Index, der die Entwicklung der Aktien an etablierten Börsen abbildet, seit Anfang des Jahres vier Prozent zugelegt. Der MSCI Emerging Markets Index, der die Entwicklung der Aktien in Schwellenländern widerspiegelt, hingegen fünf Prozent verloren.

Durch die besseren Aussichten in den Industriestaaten, sei den Anlegern außerdem bewusst geworden, dass sie auch mit etablierten europäischen oder amerikanischen Aktien am Wirtschaftswachstum der Schwellenländer mitverdienen könnten, sagt Halver. Europäische und US-amerikanische Unternehmen hielten in Schwellenländern oft hohe Umsatzanteile.

Kein Hype - aber auch keine Massenflucht

Dominosteine (Foto: )
Trotz Kapitalabfluss - einen Dominoeffekt befürchtet diesmal keinerBild: BilderBox

Doch auch wenn der Hype um die Schwellenländer nachgelassen hat - Lanzeni von DB Research hat keine Angst vor einem Ausverkauf der Schwellenländer wie während der Asienkrise. Diese brach 1997 durch den Verfall des thailändischen Baht aus und führte zu einer Währungs- und Wirtschaftskrise zunächst in Asien. In einer Art Kettenreaktion brach der Ölpreis ein und riss die russische Wirtschaft mit sich. Und Länder Lateinamerikas standen kurz vor dem Bankrott, weil Anleger generell vorsichtig wurden und massiv Kapital abzogen. Heute aber, sagt Lanzeni, sehe es in den Schwellenländern anders aus als damals: "Die Länder haben Devisenreserven ohne Ende, sie haben eine viel bessere Struktur in den externen Schulden und ihrer fiskalischen Lage. Die Länder haben mittlerweile viel Gutes gemacht."

Autorin: Jutta Wasserrab
Redaktion: Monika Lohmüller