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'Schwere Aufgabe für Suu Kyi'

15. November 2010

Aung San Suu Kyi ist frei. Doch was bedeutet die Freilassung der birmanischen Friedensnobelpreisträgerin? Was kann sie tatsächlich erreichen? Diese Frage stellen sich die Kommentatoren der deutschen Tageszeitungen.

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Titelseiten diverser Tageszeitungen (Foto: dpa)
Titelseiten diverser TageszeitungenBild: picture-alliance/dpa

Frankfurter Allgemeine Zeitung:

"Mit der Freilassung von Aung San Suu Kyi geht die birmanische Militärregierung ein Risiko ein. Zwar ist die Friedensnobelpreisträgerin "nur" eine Privatperson, die für eine nicht mehr als Partei geltende Gruppierung (die Nationale Liga für Demokratie) steht. Aber das hat Tausende nicht davon abgehalten, sie jubelnd vor ihrem Haus zu begrüßen. Und niemand wird annehmen können, dass die "Lady" sich jetzt ins Privatleben zurückzieht. Sie wird sich politisch betätigen wollen. Und ihre Stimme wird gehört werden in einem Land, in dem sich seit Jahrzehnten lediglich Perioden sehr scharfer und weniger scharfer Unterdrückung abwechselten. Die Menschen wollen Veränderung. Das wird schwierig. Aung San Suu Kyis erste Worte zeugen aber von Weitsicht. Sie rief zur Einheit auf. Alles andere wäre kontraproduktiv. Wenn sie nämlich versuchte, alle Welt nach ihrer politischen Pfeife tanzen zu lassen, liefe das vermutlich auf eine Spaltung der demokratischen Opposition hinaus. Dann hätte sich für die Generäle das Risiko der Freilassung gelohnt."

Neue Osnabrücker Zeitung:

"Aung San Suu Kyi hat ihren Kampf mit friedlichen Mitteln gegen die Militärjunta Birmas trotz Jahrzehnten der Unterdrückung nicht aufgegeben. (...) Ihre Freilassung sollte aber nicht zu große Hoffnung auf ein Ende der Diktatur entfachen. Das Regime in Asiens Armenhaus fühlt sich stark genug, die Friedensnobelpreisträgerin als eine Art Gnadenakt zu ihren Anhängern zu lassen. Es spricht leider viel dafür, dass sich die Generäle nicht verkalkulieren. Denn der Jubel in Rangun darf nicht über die wahren Machtverhältnisse hinwegtäuschen. Erstens ist die Opposition gespalten. Zweitens verfügen auch die Militärs über einen nicht unerheblichen Rückhalt im Volk. Und die Junta hat in den vergangenen 20 Jahren oft bewiesen, dass sie keine Skrupel kennt."

die "tageszeitung" / Berlin:

"Frei wird die Oppositionsführerin auch jetzt nur so lange sein, wie es ihrem Erzfeind, dem Diktator Than Shwe, in den Kram passt. Sollten er und sein Regime Suu Kyis offensichtlich ungebrochene Popularität als Bedrohung der eigenen Macht empfinden, werden sie wieder einen neuen Vorwand finden, um die Friedensnobelpreisträgerin festzunehmen."

Frankfurter Rundschau:

"Aung San Suu Kyi ist frei, und damit verringert sich die Zahl der 2200 politischen Gefangenen Birmas um eine Person. Angesichts der Geschichte des Landes ist bei aller Erleichterung zudem Vorsicht geboten. Die Friedensnobelpreisträgerin wurde während der vergangenen zwanzig Jahre immer dann kurzerhand wieder eingekerkert, wenn sie die vom Regime gesetzten Grenzen testete. Diesmal soll es keine Auflagen für ihre Freiheit geben. Offenbar fühlen sich die Generäle nach den manipulierten Wahlen vor einer Woche ziemlich sicher, und sie haben eine paar gute Gründe. Die demokratische Opposition ist gespalten. (...) Aung San Suu Kyi könnte deshalb zunächst mit dem Versuch beschäftigt sein, diesen Bruch zu kitten. Zumindest legen ihre ersten Auftritte nach Aufhebung des Hausarrests die Hoffnung nahe, dass sie erst einmal vorsichtig die aktuelle Lage am Irrawaddy sondieren wird. Aber die Manipulation der Wahlen vom 7. November zeigt erneut, dass das Militärregime nicht gewillt ist, die alleinige Kontrolle über das Land aufzugeben."

Süddeutsche Zeitung:

"Erst lässt die Junta in Birma die Menschen wählen, nun ist die berühmteste Dissidentin des Landes frei. Aung San Suu Kyi durfte nach sieben Jahren im Hausarrest wieder mit dem Volk sprechen. Das hat die Friedensnobelpreisträgerin ausgiebig getan. Trotz dieser dicht aufeinanderfolgenden historischen Ereignisse: Birma ist und bleibt ein repressiver Staat. Die Menschen leiden unter der Regierung und den Sanktionen - und an beidem wird sich zunächst wohl wenig ändern. Die Generäle haben vorgesorgt, um eine Schmach wie vor 20 Jahren zu vermeiden, als Suu Kyis Partei bei den letzten Wahlen mühelos siegte. Dieses Mal ließ das Militär die Abstimmung massiv beeinflussen. Außerdem gelang es der Junta, die Opposition allein mit dem Wahlangebot zu spalten. All das macht Suu Kyis Aufgabe nun noch schwerer. (...) Der Spielraum für Birmas Oppositionelle ist nach wie vor viel zu klein, als dass sie sich gegenseitig das Leben schwer machen könnten. Für den Wandel in Birma braucht es Geduld.

zusammengestellt von Esther Broders
Redaktion: Mathias Bölinger