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Erneute Krise?

17. Juli 2008

Die argentinische Präsidentin Kirchner ist mir ihrem Plan für höhere Agrarzölle überraschend im Senat gescheitert. Sie hatten monatelange Proteste und Blockaden im ganzen Land ausgelöst. Jetzt droht eine Krise.

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demonstranten vor dem Parlamentsgebäude in Buenos Aires, Foto: AP
Tausende Argentinier hatten vor der Abstimmung im Zentrum von Buenos Aires demonstriertBild: AP

Argentinier behaupten bisweilen, es gebe einen verborgenen Mechanismus, der ihr Land unabhängig von äußeren Einflüssen alle zehn Jahre in eine tiefe Krise stürze. Die dramatische Abstimmungsschlappe der Regierung der peronistischen Präsidentin Cristina Kirchner im Machtkampf um die Erhöhung von Ausfuhrzöllen auf Agrarprodukte könnte nun durchaus der Beginn der nächsten turbulenten Phase in der an Verwerfungen so reichen Geschichte des südamerikanischen Landes sein.

Sojabbohnenfarm in Salto, nordöstlich von Buenos Aires, Foto: AP
Streitpunkt: Abgaben auf Soja, der Exportschlager ArgentiniensBild: AP

Überraschend war die argentinische Regierung am Donnerstag (17.07.2008) nach einer Marathon-Sitzung von 18 Stunden mit ihrem Projekt für höhere Agrarzölle im Senat gescheitert: 37 Senatoren stimmten gegen und nur 36 für das Gesetz, das zuvor vom Abgeordnetenhaus abgesegnet worden war. Die entscheidende Stimme gegen die Abgabenerhöhung kam von Vize-Präsident Julio Cobos, der mit der Opposition gegen Kirchner stimmte. Er wehrte sich gegen den Vorwurf, ein Verräter zu sein, und forderte die peronistische Staatschefin Kirchner auf, einen neuen Gesetzentwurf vorzulegen.

Niederlage für Kirchner

In den argentinischen Medien wird die Abstimmung als Niederlage für Kirchner bewertet. Der Konflikt hatte sich im Frühjahr an der drastischen Erhöhung der Exportsteuern auf Getreide und Ölsaaten wie Soja entzündet: Seit dem 11. März richten sich die Abgaben nicht mehr nach einem festen Satz von 34 Prozent, sondern sind an die derzeit explodierenden Weltmarktpreise gekoppelt. Daraufhin hatten Landwirte mit monatelangen Streiks, Lieferboykotts und Straßenblockaden protestiert. In den Supermärkten der Städte war es zu teils erheblichen Versorgungsengpässen gekommen. Der Export von Getreide und Soja kam zum Erliegen.

Protesten in Argentinien. Foto: AP
Monatelang hatten die Bauern protestiertBild: AP

Die Regierung Kirchner hatte die Zölle mit den hohen Gewinnen der Landwirtschaft begründet, die für die Bekämpfung der Armut benötigt würden. Die Bauern hingegen lehnen die Zölle ab und sprechen von Enteignung. Vor allem Landwirte mit kleinen und mittleren Anbauflächen fürchten dadurch um ihre Existenz. "Beide Seiten stehen sich unversöhnlich gegenüber", sagt Mariana Llanos vom Giga-Institut für Lateinamerika-Wissenschaften in Hamburg: "Argentinien ist derzeit wie gelähmt, weil keine der Seiten kompromissbereit ist." Auch sie hält die Abstimmung für eine Niederlage, jedoch nicht nur für die Regierung, sondern auch für das Land selbst: "Es herrscht eine Pattsituation. Jetzt geht der Vorschlag zurück an die Abgeordneten, die müssen entscheiden, ob er geändert wird. Das wäre eine absolute Niederlage für die Kirchners."

Wirtschaftliche Schieflage droht

Die Frage der Abgaben hat jedoch Bedeutung weit über den Fiskal- und Agrarbereich hinaus. Die Politik der beiden Regierungen Kirchner seit 2003 hält den Peso künstlich niedrig, um die Exporte anzukurbeln und die Importe zu dämpfen. Bei einer solchen Politik droht jedoch eine hohe Inflationsrate zum Beispiel bei Lebensmitteln, deren Export viel lukrativer ist als die Vermarktung im Inland. Wenn die Bauern aber immer mehr des lukrativen Sojas anbauen und die Lebensmittel für die argentinische Bevölkerung knapper und damit teurer werden, steht das gesamte System auf der Kippe.

Die argentinische Präsidentin Kirchner mit Vizepräsident Julio Cobos im Oktober 2007, Foto: AP
Noch einvernehmlich: Kirchner und CobosBild: picture-alliance/dpa

Ob Cobos, der aus der oppositionellen Radikalen Partei UCR stammt und sich vor der Präsidentenwahl im vergangenen Jahr mit Kirchner zusammentat, sein Amt niederlegen wird, war zunächst nicht bekannt. "Ich kann der Regierung in dieser Frage nicht folgen. Damit übe ich an niemandem Verrat, sondern folge meinem Gewissen", sagte er sichtlich nervös im Parlament. Anschließend stimmte er gegen seine eigene Regierung. (ina)

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