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Schwere Unruhen im Kaukasus

22. Juni 2004

Es ist wieder unruhig im russischen Süden. In der Teilrepublik Inguschetien sind bei mehreren Überfällen mutmaßlicher tschetschenischer Rebellen mindestens 46 Menschen getötet worden.

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Ausgebrannte Jeeps russischer SicherheitskräfteBild: AP

Rund 200 Kämpfer hatten in der Nacht zum Dienstag (22.6.) mehrere Städte mit Raketen- und Granatwerfern angegriffen. Sie waren am Montagabend in die Teilrepublik Inguschetien eingedrungen und hatten sich stundenlange Gefechte mit der Polizei geliefert. Bei den Angreifern soll es sich um tschetschenische Rebellen gehandelt haben. Unter den Toten ist auch der inguschische Innenminister Abukar Kostojew sowie einer seiner Stellvertreter und der Gesundheitsminister von Inguschetien. Die russische Armee schickte mehrere tausend Soldaten in die Hauptstadt Nasran.

Neue Taktik

Der russische Präsident Wladimir Putin hat eine erbarmungslose Verfolgung der Rebellen angeordnet. "Sie müssen gefunden und vernichtet werden", sagte Putin in Moskau. "Wer lebend gefasst wird, der wird vor ein Gericht gestellt." Überraschend kann der Militärschlag für den Kreml nicht gekommen sein. Noch am Wochenende hatte der frühere Präsident und Rebellenführer der benachbarten Republik Tschetschenien, Aslan Maschadow, aus dem Untergrund große Gefechte angedroht. "Wir planen eine Änderung der Taktik", sagte er Radio Liberty. "Bisher konzentrieren wir uns auf Sabotageakte, aber bald werden wir Militäraktionen beginnen." Sein Auslandsemissär Achmed Sakajew sagte der russischen Zeitung "Kommersant" am Montag, diese Entscheidung sei auf einer Sitzung von Rebellenführern Anfang des Monats getroffen worden.

Spekulationen über Drahtzieher

Aslan Maschadow bestreitet aber eine Beteilung an den Angriffen. Ein Sprecher Maschadows sagte dem Rundfunksender Moskauer Echo, hinter den Angriffen könne eine von vielen Gruppen stehen, die den gesamten Nordkaukasus destabilisieren. Der tschetschenische Innenminister Alu Alchanow, Moskaus Kandidat für die Präsidentschaftswahl im August, vermutet den Rebellenführer Schamil Bassajew hinter dem Überfall in Inguschetien. Neben dem tödlichen Bombenanschlag auf den Moskau-treuen Präsidenten Achmad Kadyrow im vergangenen Monat, ist Bassajew für zahlreiche weitere Angriffe verantwortlich. Unter anderem soll die Erstürmung eines Moskauer Musical-Theaters im Oktober 2002 auf das Konto des Rebellenführers gehen. Seine Gefolgsleute hielten mehr als 800 Geiseln über Tage gefangen. Bei der Befreiung, bei der die Moskauer Regierung Giftgas einsetzte, starben 129 Geiseln sowie alle 41 Terroristen.

Im Februar 2004 hatte sich ein angeblich tschetschenischer Attentäter in einer vollen Moskauer U-Bahn in die Luft gesprengt und dabei 40 Menschen mit in den Tod gerissen. Auch für diesen Anschlag soll Bassajew verantwortlich sein. Ihm werden Verbindungen zu islamistischen Terror-Netzwerken nachgesagt.

In Inguschetien hatten tschetschenische Rebellen zuletzt im Oktober 2002 für Unruhe gesorgt. Damals wurden 17 russische Soldaten getötet. Bei dem Konflikt in der Kaukasus-Region geht es seit Jahren auch um viel Geld. Kriminelle Gruppen verdienen in Tschetschenien an der illegalen Ölförderung laut der staatlichen Ölgesellschaft Rosneft jährlich rund 80 Millionen Euro. An diesem Reichtum wollen nationalistische Rebellen, islamistische Terroristen, Kreml-treue Tschetschenen und russische Generäle teilhaben. (ch)