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Schwere Vorwürfe gegen Belgrad

Ivica Petrovic, Belgrad, DW-RADIO/Serbisch, 23.11.3. Dezember 2004

Carla del Ponte hat in ihrem Bericht vor dem UN-Sicherheitsrat Serbien scharf kritisiert. In Belgrad hat das niemand überrascht.

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Chefanklägerin des UN-Kriegsverbrechertribunals in New YorkBild: AP

"Die Ziele, weswegen das UN-Kriegsverbrechertribunal gegründet wurde, werden nicht erreicht, ehe sich nicht die Hauptangeklagten für Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien in Den Haag einfinden." Dies sagte am Dienstagabend (23.11.) die Chef-Anklägerin des Tribunals, Carla del Ponte, vor dem UN-Sicherheitsrat. Zu den vier Hauptangeklagten Radovan Karadzic, Ratko Mladic und Ante Gotovina fügte sie erstmals vier weitere serbische Generäle hinzu, die der Kriegsverbrechen im Kosovo angeklagt sind, sowie vier bosnisch-serbische Offiziere, gegen die Anklage wegen Völkermord in Srebrenica erhoben wurde. Del Ponte zufolge ist Serbiens Premier Vojislav Kostunica "nicht gewillt" wenigsten zwölf mutmaßliche Kriegsverbrecher, die sich in Serbien befinden, auszuliefern. Nach Einschätzung der Chef-Anklägerin vor dem UN-Sicherheitsrat hat "die serbische Regierung" ferner "bewusst entschieden, ihre gesetzlichen Verpflichtungen zu ignorieren."

Keine Überraschung

Die schweren Vorwürfe und die scharfe Kritik wegen der Nicht-Zusammenarbeit mit dem UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag (ICTY), die Chef-Anklägerin Carla del Ponte vor dem UN-Sicherheitsrat erhoben hat, haben das offizielle Belgrad nicht besonders überrascht. Nachdem einige serbische Politiker bereits in den vergangenen Tagen Kommentare zu Auszügen aus ihrem Bericht abgegeben haben, kann man daraus schließen, dass eine negative Beurteilung der Kooperation auch erwartet wurde.

Reaktionen der Belgrader Führung

Serbiens Premier Vojislav Kostunica erklärte aus diesem Anlass, der UN-Vertreter des Landes würde auf der Sitzung des UN-Sicherheitsrates seine Position über die Kooperation mit dem Tribunal darlegen. Nachgewiesenermaßen vertrete die Regierung den Standpunkt, dass eine Kooperation mit dem ICTY erforderlich sei, es gebe Aspekte, über die sie zufrieden sein könne, aber es gebe auch Ziele, die nicht erreicht worden seien und dass daran gearbeitet würde. Serbiens Präsident Boris Tadic erklärte dagegen, es gebe keinerlei Zweifel daran, dass mit dem Kriegsverbrecher-Tribunal zusammengearbeitet werden müsse: "Das ist unsere internationale und nationale Verpflichtung sowie gleichzeitig die einzige Voraussetzung, um Teil der EU zu werden, das Leben unserer Landsleute und ihren Lebensstandard zu verbessern. Das müssen unsere Bürger wissen." Er sagte ferner, dieser Bericht würde sich auf die künftigen Beziehungen zwischen dem Präsidenten und dem Premier Serbiens auswirken.

Internationaler Druck erwartet

Serbiens Justizminister Zoran Stojkovic wollte keinen Kommentar zum Bericht von Carla del Ponte abgeben, solange er ihn nicht ganz gelesen habe. Er betonte indes, es sei erneut Druck zu erwarten, wenn der Tenor dieses Berichts negativ sei: "Es wird wahrscheinlich vornehmlich mit Druck gearbeitet. Es sind aber auch einige negative Effekte zu erwarten. Ich sehe lediglich, dass Amerika, der US-Senat, die bewilligte Finanzhilfe von 70 Millionen Dollar an Auslieferungen knüpft, oder vielmehr - um genau zu sein, wie es auch der Senat war - die Auslieferung von Ratko Mladic ist die einzige Bedingung für die Zuteilung der Mittel." Ihm zufolge wird sich das Justizministerium im Einvernehmen mit der nach dem gestrigen Treffen von Premier Vojislav Kostunica und Präsident Boris Tadic mit der Führung der Republika Srpska verlautbarten Position verhalten. Demzufolge müssten sich alle ICTY-Angeklagten in Serbien in Den Haag stellen - sei es freiwillig oder nicht freiwillig.