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Schwere Vorwürfe wegen Atomkatastrophe

26. Dezember 2011

Neun Monate nach der Reaktorkatastrophe in Fukushima hat eine Expertenkommission der Betreibergesellschaft und der Regierung in Tokio schwere Versäumnisse vorgeworfen. Ihre Reaktion sei konfus und fehlerhaft gewesen.

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Atomanlage in Fukushima, neun Monate nach der Katastrophe (Foto: Kyodo)
Atomanlage in Fukushima, neun Monate nach der KatastropheBild: picture alliance/Kyodo

Sowohl das Energieunternehmen Tepco als auch die zuständigen japanischen Behörden seien auf eine Katastrophe dieses Ausmaßes vollkommen unvorbereitet gewesen, heißt es in einem in Tokio veröffentlichten Bericht unabhängiger Experten unter der Leitung des Ingenieurwissenschaftlers Yotaro Hatamura. Die Kommission befragte bislang 456 Beteiligte insgesamt 900 Stunden lang. Der endgültige Report soll im Sommer vorgelegt werden. Die Kommission war von der Regierung berufen worden.

Erdbeben und Tsunami

Der Tsunami bricht über die Kaimauer in die Stadt Kesennuma (Foto: Kyodo)
Der Tsunami bricht über die Kaimauer in die Stadt KesennumaBild: picture-alliance/dpa

Das Atomkraftwerk Fukushima war durch ein schweres Erdbeben der Stärke 9,0 und einen darauffolgenden verheerenden Tsunami am 11. März schwer beschädigt worden. Die Zerstörungen in der Anlage lösten den weltweit schwersten atomaren Unfall seit Tschernobyl 1986 aus. Zehntausende Menschen wurden obdachlos, da ganze Städte wegen der radioaktiven Strahlung unbewohnbar wurden.

Fehleinschätzungen von Tepco

In ihrem Report werfen die Experten der Betreibergesellschaft Tepco vor, die Gefährdung des Atomkraftwerks falsch eingeschätzt und Mitarbeiter nicht ausreichend ausgebildet zu haben. Tepco sei nicht auf eine 14 Meter hohe Tsunami-Welle vorbereitet gewesen, obwohl die Gefahr real gewesen sei. "Tepco rechnete nicht mit einer Situation, in der alle Stromquellen in mehreren Reaktoren wegen einer Naturkatastrophe gleichzeitig unterbrochen würden, und hat die Mitarbeiter nicht ausgebildet, darauf zu reagieren", kritisierten die Fachleute

Luftaufnahme des zerstörten Reaktors 1 vom April (Foto: AP)
Luftaufnahme des zerstörten Reaktors 1 vom AprilBild: AP

Weiter kommt die Kommission zu dem Ergebnis, dass Tepco auch falsch reagiert habe, nachdem es zu der Katastrophe gekommen sei. Die Kernschmelzen und das Entweichen radioaktiven Materials hätten begrenzt werden können, wenn in den Reaktoren 1 und 3 früher Druck abgelassen worden und schneller Wasser zur Kühlung zugeführt worden wäre. So hätten die Tepco-Arbeiter zum Beispiel fälschlicherweise angenommen, dass das Kühlsystem in Reaktor 1 unbeschädigt sei. Dadurch hätten sich die Rettungsarbeiten verzögert. In Reaktor 3 hätten die Arbeiter die Notkühlung gestoppt, ohne dies zu melden.

Falsche Entscheidungen der Regierung

Der Regierung werden in dem Bericht ebenfalls Vorwürfe gemacht. Auf der einen Seite hätten sich das Wirtschaftsministerium und die Atomsicherheitsbehörde beklagt, von Tepco nicht schnell genug Informationen über die Entwicklungen in Fukushima zu erhalten. Sie hätten aber andererseits auch keine Behördenvertreter in die Unternehmenszentrale entsandt. Auch die Evakuierungsanweisungen der Regierung seien fehlerhaft gewesen: So seien die Bewohner einiger Gegenden, die ihre Häuser verlassen sollten, in Regionen gebracht worden, in denen die radioaktive Belastung nach der Katastrophe noch höher war.

Neuneinhalb Monate nach der Atomkatastrophe laufen derzeit nur noch sechs der insgesamt 54 japanischen Atomreaktoren. Der Stromversorger Kyushu Electric Power nahm in der Nacht zum Montag seinen Reaktor in Genkai im Südosten des Landes für vorgeschriebene Wartungsarbeiten vom Netz. Auch die jetzt noch laufenden sechs Reaktoren müssen bis Ende Mai 2012 für Wartungsarbeiten abgeschaltet werden. Die mehrwöchigen Kontrollen sind alle 13 Monate vorgeschrieben. Vor dem Wiederanfahren müssen sie aufgrund der Atomkatastrophe von Fukushima sogenannte Stresstests bestehen.

Autor: Michael Wehling (dpa, afp, dapd)
Redaktion: Ursula Kissel