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Schwere Zeiten für die Atomkraft

28. Mai 2011

Lauter Protest auf den Straßen in Deutschland, ruhige Abschlussberatungen der Ethikkommission hinter verschlossenen Türen - es geht um die Zukunft der deutschen Atomenergie. Und alle fragen: Wann kommt der Ausstieg?

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Ein Demonstrant, der vor dem Berliner Fernsehturm steht, hält eine Fahne gegen Atomkraft in der Hand (Foto: picture-alliance/dpa)
Seit dem Reaktorunglück in Japan wird der Protest in Deutschland größerBild: picture alliance/dpa

Tausende Atomkraftgegner sind am Samstag (28.05.2011) bundesweit unter dem Motto "Atomkraft Schluss!" auf die Straßen gegangen. Eine Initiative aus Umweltschutzverbänden, Gewerkschaften und Parteien hatte zu den Großdemonstrationen gegen Atomkraft aufgerufen - bundesweit in mindestens 20 Städten. Laut Veranstaltern haben rund 160.000 Menschen daran teilgenommen.

Mit Fahnen und Transparenten demonstrieren mehrere tausend Menschen für das Abschalten aller Atomkraftwerke am Samstag (28.05.2011) während einer Kundgebung in Hannover (Foto: picture-alliance/dpa)
Großer Protest auch in der niedersächsischen Hauptstadt HannoverBild: picture alliance/dpa

Allein in Berlin zogen Polizeiangaben zufolge 20.000 Demonstranten in einem Marsch durchs Zentrum vom Roten Rathaus bis zur Parteizentrale der CDU. Auch in vielen Städten Nordrhein-Westfalens haben mehr als 10.000 gegen Atomkraft demonstriert. In Bonn besetzten nach Angaben der Veranstalter sogar 7500 Demonstranten eine Rheinbrücke in der Innenstadt. Unter dem Motto "Wir blockieren Eure Brückentechnologie!" sei das ein Signal an Bundeskanzlerin Merkel. Die Energiewende müsse nun endlich kommen, sagte Tim Petzoldt von der Initiative Anti-Atom-Bonn. Auch im Süden Deutschlands kamen in der bayerischen Hauptstadt München mindestens 8000 Atomkraftgegner zusammen. Die Demonstranten fordern die rasche Abschaltung aller deutschen Atomkraftwerke - ohne Wenn und Aber.

Deutscher Ausstieg - bis 2021?

Eine politische Entscheidung darüber wird bald feststehen. Denn zeitgleich zu den Protesten beriet in Berlin auch die von der Bundesregierung eingesetzte Ethikkommission zur Atomkraft - allerdings hinter verschlossenen Türen. Die 17 Vertreter aus Wissenschaft, Wirtschaft und der Kirchen sollen eine Empfehlung für den Atomausstieg geben - und scheinen sich darüber einig geworden zu sein: Aus dem Umfeld der Kommission wird berichtet, dass diese der Bundesregierung einen Atomausstieg innerhalb der nächsten zehn Jahre - also bis 2021 - empfehlen will.

Die deutschen Kernkraftwerke und ihre erwartete Laufzeit (DW-Grafik: Peter Steinmetz)
Das war vor Fukushima: So lange sollten die deutschen Atomkraftwerke eigentlich laufen

Die politische Entscheidung über den Ausstieg dürfte ebenfalls noch an diesem Wochenende gefällt werden - beim Koalitionstreffen im Kanzleramt an diesem Sonntag. Es wird erwartet, dass die Bundesregierung ein sofortiges Aus für bis zu acht deutsche Atomkraftwerke anstrebt und zudem ein Ausstiegsdatum in der ersten Hälfte des nächsten Jahrzehnts anpeilt.

Diskussion ums Datum

Die beiden Vorsitzenden der Ethik-Kommission fuer eine sichere Energieversorgung, Klaus Toepfer (l.) und Matthias Kleiner (Foto: dapd)
Töpfer (l.) und Kleiner (r.) wollen breitere EnergiedebatteBild: dapd

Der Vorsitzende der Ethikkommission, Klaus Töpfer, kritisiert derweil die Verengung der deutschen Debatte auf eine Jahreszahl. Wichtig sei auch ein Beschluss, der "über die nächsten Wahlen hinaus trägt", sagte Töpfer am Samstag. Die Umsetzung und Machbarkeit des Ausstiegs sollten im Vordergrund stehen, sagte Matthias Kleiner, Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft und Co-Vorsitzende der Kommission. Die Kernfrage sei, wie die Energiezukunft Deutschlands aussehe.

Der komplette Abschlussbericht der Kommission soll am Montag präsentiert und abends öffentlich diskutiert werden. Die Organisation "ausgestrahlt" hat angekündigt, am Montag parallel verschiedene Kundgebungen und Mahnwachen zu organisieren. Je nach Ausgang der Beratungen sollen noch weitere Protestaktionen folgen.

Die Ethikkommission war Anfang April von der Bundesregierung kurz nach dem Unglück im japanischen Atomkraftwerk Fukushima eingesetzt worden.

Autor: Nicole Scherschun (dpa, dapd, afp)
Redaktion: Dirk Eckert/Frank Wörner