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Mogeln unmöglich

Sabine Hartert-Mojdehi1. Juli 2012

Wahlbeobachter aus Deutschland und anderen EU-Staaten schwärmen in die ganze Welt aus, um sicherzustellen, dass Abstimmungen frei und fair verlaufen. Doch manchmal werden die Kontrolleure missbraucht.

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Wählerin und Wahlbeobachterin in der Ukraine (Foto: AP)
Wählerin und Wahlbeobachterin in der UkraineBild: AP

Wenn die Wahllokale öffnen, sind sie schon da, die Wahlbeobachter internationaler Organisationen. "Frühmorgens beobachten wir zuerst die Öffnung eines Wahllokals", sagt Juliana Glöckler-Fuchs, stellvertretende Schulleiterin in Bayern und nebenher als Wahlbeobachterin in Ländern wie Bosnien, Mazedonien, Aserbaidschan oder Weißrussland unterwegs. Meist kommen die internationalen Beobachter am Wahltag zwischen fünf und sieben Uhr morgens ins Wahllokal und prüfen, ob alle Vorschriften eingehalten wurden. Dazu gehört auch, ob in unmittelbarer Nähe noch Wahlkampf mit Plakaten gemacht wird. Das nämlich ist verboten.

Wahlbeobachter kommen nur mit Zustimmung des jeweiligen Staates. Manche Regierungen bitten ausdrücklich darum, andere sind - beispielsweise durch ihre Mitgliedschaft in der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) - dazu verpflichtet, Beobachter zuzulassen. Deren Aufgaben sind vielfältig, umfangreich - und werden akribisch vorbereitet, erläutert der Europa-Abgeordnete Michael Gahler (CDU) im Gespräch mit der Deutschen Welle: "Die Wahlbeobachtung der EU ist keine, die zum Wahltag anreist und schaut, ob die Leute richtig ankreuzen, falten und zählen können." Hier geht es neben der aktuellen Wahlbeobachtung durch Kurzzeitexperten auch um Langzeitbeobachtung. Ein Expertenteam reist fünf Wochen vor der Wahl an und befasst sich mit allen Facetten der örtlichen politischen Lage und natürlich mit den Rahmenbedingungen und Vorbereitungen für die anstehende Wahl.

Defizite erkennen

Experten untersuchen im Austausch mit allen relevanten Kräften vor Ort die Rechtssituation, die Lage der Menschenrechte und die Medienarbeit. Gahler, der bei vielen Wahlen als Leiter von Beobachtungsmissionen tätig war, erinnert sich an die Situation in Angola im Jahr 2008: "Da hatten wir eine sehr dominante Staatspartei." Landesweit habe es nur den Staatsrundfunk, das Staatsfernsehen und eine staatliche Zeitung gegeben; die Opposition habe dagegen lediglich über zwei UKW-Sender in der Hauptstadt und über eine Wochenzeitung präsent sein können.

Michael Gahler 2011bei den Wahlen in Tunesien (Foto: EU)
Michael Gahler 2011 bei den Wahlen in TunesienBild: EU

Die Wahlbeobachterin Glöckler-Fuchs prüft in den jeweiligen Wahllokalen, ob die Stimmabgabe geheim, frei und unabhängig geschieht: "Wir beobachten ganz stark die Wahlkabinen, ob dort eine Person ist oder zwei." Auch vor den Wahllokalen gebe es Möglichkeiten des Betrugs, wie das Weitergeben ausgefüllter Stimmzettel. Daher habe man im Zweierteam immer einen Blick auf Gruppen, die sich vor einem Wahllokal sammelten. In regelmäßigen Abständen müssen die Wahlbeobachter Formulare ausfüllen und an die Zentrale der Beobachtungskommission, meist in der Hauptstadt des jeweiligen Landes, senden. Dass Wahlbeobachter dabei parteiisch sein könnten, sieht Thomas Rymer, Sprecher des Büros für Demokratische Institutionen und Menschenrechte (ODIHR) der OSZE, nicht als Problem an: "Kurzzeitbeobachter müssen auf diesen Fragebögen nur mit ja oder nein antworten. Die Sprache dieser Formulare ist sehr objektiv. Da gibt es wirklich kaum Raum für subjektive Einschätzungen."

Wahlbeobachter der EU unterwegs zu einem Wahllokal in Nablus, Westbank, 2006 (Foto: AP)
Wahlbeobachter der EU unterwegs zu einem Wahllokal in Nablus, Westbank, 2006Bild: AP

Empfehlungen geben

Die Erkenntnisse aller Beobachter werden gesammelt und fließen in den Abschlussbericht ein. Denn die Beobachter dürfen während der Wahl nicht eingreifen, selbst wenn sie Zeugen eines versuchten oder tatsächlichen Wahlbetrugs werden sollten. "Es ist nicht unsere Aufgabe, den Schiedsmann zu spielen", sagt Gahler. Damit der Abschlussbericht mit den Empfehlungen für die nächste Wahl nicht in Schreibtischschubladen verschwindet, sind sie inzwischen Teil der Vereinbarungen zwischen dem Land, in dem gewählt wird, und den Beobachtern. Es sei auch schon vorgekommen, dass die Wahlbeobachter als "demokratisches Mäntelchen" benutzt worden seien, berichtet der EU-Abgeordnete Gahler. Das wisse man aber erst im Nachhinein, wie in Äthiopien 2010. Da wurde dem Team, das den Abschlussbericht vorlegen wollte, keine Einreise gewährt.

Demokratischer Gradmesser

Unabhängig für welche Organisation die Wahlbeobachter unterwegs sind, sie werden von der Bevölkerung fast immer freundlich empfangen. Ganz offensichtlich erkennen die Menschen, dass die Beobachter mit dazu beitragen, demokratische Prozesse in Gang zu bringen oder zu fördern. Aber, sagt die Wahlbeobachterin Glöckler-Fuchs, es gebe auch Länder, die keine Wahlbeobachter einladen. Das sei ein klares Signal, dass eine Wahl nicht allgemein, frei und geheim verlaufe.

Albanische Wähler suchen ihre Namen auf der Wählerliste (2007) (Foto: OSZE)
Albanische Wähler suchen ihre Namen auf der Wählerliste (2007)Bild: OSZE