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Schwierige Aufarbeitung der Vergangenheit

4. Dezember 2009

Mehrere Mitglieder der Linksfraktion in der neuen rot-roten Koalition in Brandenburg waren Stasi-Mitarbeiter in der DDR. Diese Enthüllungen zeigen erneut, dass das Erbe der DDR noch längst nicht Geschichte ist.

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Archivarin zwischen Regalen voller Akten (Foto: AP)
Tausende Akten liegen in der Erfurter Außenstelle der Bundesbehörde für die StasiunterlagenBild: AP

Der Landtag in Brandenburg diskutiert: Ist die Koalition aus SPD und Linkspartei, die seit Anfang November die Regierung stellt, noch haltbar? Aber vor allem: Wie geht Brandenburg mit einem der dunkelsten Kapitel der DDR-Geschichte um: dem Ministerium für Staatssicherheit und seinen Spitzeln? Immerhin flogen in der Linksfraktion der Landesregierung in den vergangenen zwei Wochen vier ehemalige Stasi-Mitarbeiter auf. Grund genug für eine Sondersitzung am Freitag (04.12.2009) in Potsdam. Aber Grund auch für eine neue grundsätzliche Debatte darüber, wie 20 Jahre nach dem Mauerfall mit einstigen Stasi-Kadern umgegangen werden soll.

Änderung des Abgeordnetengesetzes im Dezember

Matthias Platzeck am Rednerpult im Brandenburger Landtag (Foto: dpa)
Ministerpräsident Matthias PlatzeckBild: dpa

Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD), selbst in der DDR aufgewachsen, zeigte sich in seiner Regierungserklärung durchaus selbstkritisch. Dass es seit 1990 keine systematische Stasi-Überprüfung aller Abgeordneten gegeben habe, sei "ein Fehler" gewesen, sagte Platzeck. Noch im Dezember will der Landtag das Abgeordnetengesetz entsprechend ändern. Allerdings sieht Platzeck in der aktuellen Diskussion "treibjagdartige Auswüchse" und eine "teilweise denunziatorische Art".

Die Fraktionschefin der Linken, Kerstin Kaiser, räumte einen Vertrauensverlust durch das Verschweigen früherer Stasi-Tätigkeiten von Abgeordneten ein. Die Linke müsse als "Nachfolgepartei der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED)" zu ihrer Verantwortung für das Scheitern des Realsozialismus stehen und deshalb auch politische Biografien offenlegen, sagte Kaiser, die in der DDR selbst als IM, also als informelle Mitarbeiterin der Stasi, tätig war.

Opfer zu selten im Mittelpunkt

Die Oppositionsführerin Johanna Wanka von der CDU kritisierte den Umgang der Linken mit den Stasi-Vorwürfen. Verstrickungen würden immer nur dann eingeräumt, wenn ein Leugnen nicht mehr möglich sei, sagte Wanka. Ihr geht es in der Debatte allerdings viel zu oft um die Täter, wogegen die Opfer viel zu selten im Mittelpunkt stünden.

Die Führung einer Gruppe im Zellentrakt des ehemaligen Stasigefängnisses Hohenschönhausen (Foto: dpa)
Ex-Häftlinge führen durch die Stasi-Opfer-GedenkstätteBild: dpa - Bildfunk

Der stellvertretende Leiter der Stasi-Opfer-Gedenkstätte in Berlin-Hohenschönhausen, Siegfried Reiprich, sieht ähnliche Probleme im Umgang mit der Aufarbeitung der DDR-Geschichte. "Den Diktatur-Tätern geht es meist besser als denen, die Widerstand geleistet haben." Noch immer seien hunderte Ex-Stasi-Mitarbeiter im öffentlichen Dienst von Bund und Ländern beschäftigt. Frühere Stasi-Leute könnten sich auf eine gute Rente freuen, während SED-Opfer oft nicht wüssten, wie sie über die Runden kommen sollen.

Ende der Regelüberprüfungen

Forderungen nach neuen Überprüfungen möglicher Stasi-Verstrickungen im öffentlichen Dienst waren zuletzt vor der Bundestagswahl im September wieder zu hören. Erst 2006 hatte der Bundestag mit breiter Mehrheit nach heftigen Protesten von Opferverbänden das Ende der Regelüberprüfungen im öffentlichen Dienst beschlossen. Die Novelle des Stasi-Unterlagen-Gesetzes sieht zudem vor, dass ab 2012 auch Spitzenleute in Politik und Verwaltung nicht mehr überprüft werden können.

Autorin: Sabine Faber (AP, dpa, epd)

Redaktion: Martin Schrader