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Schwierige Geburt

Dunja Dragojevic15. Januar 2002

Vor zehn Jahren erkannte die Europäische Gemeinschaft Slowenien und Kroatien als souveräne Staaten an. Eine Formalität für Slowenien, aber für Kroatien ging das Ringen um einen eigenen demokratischen Staat weiter.

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Umstrittene Symbolfigur: Ex-Präsident Franjo TudjmanBild: AP

Am 15. Januar 1992 erhielten die Kroaten offiziell das, wofür sie mit ihrem Referendum im Mai 1991 gestimmt hatten: einen international weitgehend anerkannten, unabhängigen Staat. Allerdings: bis Anfang 1995 kontrollierte Kroatien nur zwei Drittel seines Territoriums - das übrige Drittel war serbisch besetzt.

Und so kam es, dass sich in der ersten Hälfte der 90-er Jahre drei Fronten auftaten: Mit diplomatischen Mitteln versuchte Kroatien für seine Linie im Ausland Unterstützung zu finden; an den Demarkationslinien hielten die kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Serben an; und schließlich ging es um die Durchsetzung demokratischer Prozesse im Lande.

Bosnien: Opfer und Täter

Der Krieg im benachbarten Bosnien-Herzegowina, der im 1992 aufflammte, warf für die kroatische Regierung Probleme auf. Mitte der 90er Jahre hatte sich in vielen einst pro-kroatischen Ländern, darunter auch Deutschland, die Stimmung gewandelt: In Bosnien war Kroatien erstmals aus der Rolle des Opfers in die des Täters geschlüpft. Auch die Militäraktionen 1995, durch die Kroatien die Oberhoheit über die serbisch besetzten Gebiete - der Krajina und Westslawonien - wiedererlangte, riefen im Ausland scharfe Kritik hervor: Man beschuldigte die kroatische Seite, Kriegsverbrechen begangen zu haben. Im Herbst 1995 gelang es amerikanischen Unterhändlern schließlich, die Präsidenten Kroatiens, Bosniens und Serbiens in Dayton an den Verhandlungstisch zu bringen. Franjo Tudjman, Alija Izetbegovic und Slobodan Milosevic besiegelten hier ein Friedenspaket für Bosnien und Herzegowina.

Doch die Umsetzung dieses Abkommens war schleppend. Die zögerliche Umsetzung des Dayton-Abkommens und die widerwillige Zusammenarbeit mit dem Haager Kriegsverbrechertribunal waren aber nicht die einzigen Gründe dafür, dass sich der kroatische Präsident im Ausland unbeliebt machte. Das Regierungssystem Kroatiens ermöglichte Tudjman auch eine autoritäre, fast untastbare Herrschaft im Land: Er konnte Premierminister und Vizepräsidenten nach eigenem Willen ernennen und entlassen, die Tagesordnungen der Regierungssitzungen direkt bestimmen, das Parlament auflösen und Verordnungen mit Gesetzeskraft verabschieden.

Wachsende Kritik an Tudjman

Auch in Kroatien selbst wuchs die Kritik an Tudjmans Politik: Bis Mitte der 90er Jahre konnte er noch stets den Kriegszustand des Landes als Rechtfertigung für die andauernde Wirtschaftsschwäche, hohe Arbeitslosenzahlen und seine restriktive Medienpolitik anführen. Nach und nach kamen jedoch in seinem Umfeld immer mehr Fälle von Korruption und Vetternwirtschaft ans Tageslicht - das Ansehen des "Vaters der Nation" bröckelte zusehends.

Sein Tod im Dezember 1999 ermöglichte schließlich den Beginn einer neue Ära Kroatiens: Bei den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im Januar 2000 kam der politische Machtwechsel. Tudjmans Partei HDZ wurde von der Sozialdemokratischen Partei abgelöst, deren Spitzenkandidat Ivica Racan zum Ministerpräsidenten gewählt.

Vor allem außenpolitisch vollzog die Regierung Racan einen rasanten Kurswechsel: Als oberste Ziele formulierte er die schnellstmögliche Aufnahme Kroatiens in die Europäische Union und die Attraktivität des Landes für ausländisches Kapital. Und er sicherte eine enge Zusammenarbeit mit dem Haager Kriegsverbrechertribunal zu.