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Schwierige Feier

15. Mai 2009

Dass sich die Deutschen mit ihrer Geschichte nicht leicht tun, ist nichts Neues. Nun gilt es allerdings, die 60-jährige Erfolgsgeschichte des Grundgesetzes zu feiern. Aber sogar damit tut man sich in Berlin schwer.

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Bild: DW

Nun kommt es also doch in würdigem und angemessenem Rahmen - das Bürgerfest zum 60-jährigen Bestehen der Bundesrepublik Deutschland. Ursprünglich war eine Event-Agentur damit beauftragt, und die hatte so tolle Ideen wie eine "Meile der Marken". Nivea und Adidas statt Rechtsstaat und Menschenwürde? Nun, das war wohl in bestimmten Kreisen die Sicht aufs eigene Land, bevor die Wirtschaftskrise hereinbrach, Sponsoren reihenweise absagten und die ganze, sündhaft teure Planung in sich zusammenfiel.

Nun hat das Bundespresseamt die Sache selbst in die Hand genommen, und beim Bürgerfest im Regierungsviertel wird das im Mittelpunkt stehen, was dieses Staatswesen tatsächlich ausmacht.

Von wegen "Berliner Republik"

In Bonn wird am 23. Mai übrigens auch kräftig gefeiert, dort wurde schließlich vor 60 Jahren das Grundgesetz verabschiedet - die zunächst nur für die drei westlichen Besatzungszonen gültige Verfassung. Bonn und Berlin, da gibt es immer noch schwärende Wunden, die dieser Tage wieder ein bisschen aufgerissen wurden. Denn in einem Gastkommentar für den Berliner "Tagesspiegel" vertrat der Fernsehjournalist Wolfgang Herles die Ansicht, Deutschland sei von Bonn aus besser regiert worden. Als "Hauptstadt der großen Klappe" bezeichnete er Berlin, was wütende Leserbriefe zur Folge hatte.

Bonn-Freund Herles verstieg sich in seinem Kommentar dazu, sich den Begriff "Berliner Republik" zueigen zu machen. Sie sei "eine ossifizierte Variante der Bonner Republik“. Dabei wurde der Begriff "Berliner Republik" zu Zeiten der Bonn-Berlin-Entscheidung vor 18 Jahren ausgerechnet von Intellektuellen geprägt, die meinten, den provinziellen Mief der "Bonner Republik" abschütteln und in Berlin etwas Großes errichten zu müssen.

Tatsächlich ist es ein- und dieselbe Republik, die Bundesrepublik, die seit 60 Jahren besteht und der vor 19 Jahren die ebenfalls 1949 im Gebiet der sowjetischen Besatzungszone gegründete DDR beigetreten ist.

Deutschland wird weder 60 noch 2000

Der Rundfunk Berlin-Brandenburg warb Anfang des Jahres für eine Serie zum Jubiläumsjahr mit einem Trailer, der mit den Worten begann: "Deutschland wird 60". Es dauerte lange, bis irgendjemandem auffiel, dass Deutschland schon ein bisschen älter ist - wenn auch noch nicht 2000.

Die Hermannsschlacht, von Nationalgesinnten des 19. Jahrhunderts zur Geburtsstunde der Deutschen hochstilisiert, jährt sich dieser Tage zum 2000. Mal. Tatsächlich hätte der in römischen Quellen Arminius genannte germanische Fürstensohn mit dem Begriff "deutsch" gar nichts anfangen können.

Heute spricht man sicherheitshalber von "Varusschlacht", nach dem geschlagenen römischen Feldherrn, um keinen Verdacht auf nationalen Taumel aufkommen zu lassen. Vorbei die Zeiten, als Studenten das Lied schmetterten: "Als die Römer frech geworden zogen sie nach Deutschlands Norden", und andere das Spottgedicht dagegensetzten: "Armin der Cheruskerfürst handelt mit die Leberwürst."

Ohne Parteipolitik geht’s nicht

Ja, die Deutschen und ihre Geschichte. Wenigstens ist jetzt klar, wer beim Staatsakt zum 60. Geburtstag der Verfassung redet. Ursprünglich hatte jemand ausgeheckt, dass der Bundespräsident, die Bundeskanzlerin und der Bundestagspräsident das Wort ergreifen sollten. Zufällig sind alle drei von der CDU, weshalb das für die Sozialdemokraten überhaupt nicht in Frage kam. Nun spricht allein Bundespräsident Horst Köhler.

Das ärgert die Sozialdemokraten zwar auch, denn tags darauf stellt sich Köhler zur Wiederwahl, aber wirklich etwas dagegen sagen können sie nicht. Also haben sie eben ein paar Tage zuvor eine eigene Festveranstaltung zum Verfassungsjubiläum angesetzt. Und bei der steht ihre Kandidatin für das Bundespräsidentenamt, Gesine Schwan, im Mittelpunkt.

Autor: Peter Stützle

Redaktion: Kay-Alexander Scholz