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Merkels schwierige Mission

23. Mai 2016

Das Treffen der Kanzlerin mit dem türkischen Staatschef Erdogan könnte heikel werden. Merkel will am Flüchtlingsabkommen festhalten, aber auch Kritik üben - ein schwieriger Spagat.

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Türkei Angela Merkel & Recep Erdogan 2013 in Istanbul
Können Kanzlerin Merkel und der türkische Präsident Erdogan (hier ein Archivbild) eine gemeinsame Linie finden?Bild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Direkt nach ihrer Ankunft in der Metropole Istanbul beriet Angela Merkel ungewöhnlich lange mit Vertretern der türkischen Zivilgesellschaft über die Lage in dem Land. Bei dem Treffen am Sonntagabend sei es um die politische und gesellschaftliche Lage, die Kurden, die Entwicklung von Justiz und Rechtsstaat sowie die Kooperation in der Flüchtlingspolitik gegangen, hieß es aus Regierungskreisen. Auch die EU-Beitrittsverhandlungen seien Thema gewesen.

Treffen mit Journalisten, Anwälten und Unternehmern

An der Unterredung nahmen Journalisten, Anwälte und Menschenrechtler teil. Auch Mitglieder des türkischen Unternehmerverbandes Tüsiad waren vertreten. Oppositionspolitiker oder prominente Erdogan-Kritikern waren dagegen nicht dabei. Das Gespräch war ursprünglich auf 60 Minuten angesetzt worden, tatsächlich dauerte die Unterredung dann doppelt so lang.

Kritiker werfen Erdogan vor, die Pressefreiheit in der Türkei zu beschneiden und Druck auf die Justiz auszuüben. Menschenrechtsgruppen bemängeln außerdem das harte Vorgehen der Armee im kurdisch geprägten Südosten der Türkei. Sie werfen der Regierung darüber hinaus vor, syrische Flüchtlinge an der Grenze teils gewaltsam abzuweisen.

Der Pakt steht auf der Kippe

Merkel steht unter erheblichem Erwartungsdruck. Weil Erdogan die Forderung der EU ablehnt, vor einer Visumliberalisierung die Anti-Terror-Gesetze des Landes zu ändern, steht der Flüchtlingspakt schon zwei Monate nach dem Start auf der Kippe. Das von Merkel maßgeblich vorangetriebene Abkommen sieht vor, dass Flüchtlinge, die von der Türkei aus kommend auf griechische Inseln übersetzen, zurückgeschickt werden. Für jeden syrischen Flüchtling soll ein anderer Syrer legal aus der Türkei in die Europäische Union einreisen dürfen.

Erst am Freitag hatte das Parlament in Ankara auf das Betreiben Erdogans hin die Immunität von mehr als einem Viertel der Abgeordneten aufgehoben. Betroffen sind vor allem kurdische Politiker, denen nun Strafverfolgung und Mandatsverlust drohen. Merkel kritisierte, der Beschluss des türkischen Parlaments sei mit schwerwiegenden Folgen für die kurdischen Politiker verbunden. Der Vorgang erfülle sie mit großer Sorge. Sie wies dabei den Vorwurf auch aus ihrer eigenen Partei zurück, sie habe sich mit dem Flüchtlingsabkommen einseitig in Abhängigkeit zur Türkei begeben. "Es gibt natürlich wechselseitige Abhängigkeiten, sie können es auch einfach die Notwendigkeit zum Interessenausgleich nennen", sagte die Kanzlerin.

EU-Parlamentspräsident Schulz sieht Abkehr von Europa

CSU-Chef Horst Seehofer warnte hingegen: "Der Zweck heiligt nicht alle Mittel." In der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin" betonte er, man dürfe sich nie abhängig machen "von solchen Systemen" oder gar erpressen lassen. Mit Blick auf die Vorgänge im türkischen Parlament meinte Seehofer: "Da müsste die ganze Welt aufschreien."

Türkei Humanitärer Weltgipfel in Istanbul - Stephen O'Brien & Jan Eliasson
Vor dem Treffen mit Erdogan steht der UN-Nothilfegipfel in Istanbul auf dem Programm der KanzlerinBild: picture-alliance/AP Photo/L. Pitarakis

Scharfe Kritik an Erdogan übte auch EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD). Die Türkei vollziehe unter Erdogan eine "atemberaubende Abwendung von den Werten Europas". Die Bundeskanzlerin und die EU-Regierungschefs müssten dem türkischen Präsidenten ganz klar sagen, dass seine Politik nicht mit den europäischen Grundwerten vereinbar sei und er damit sinnvolle Verhandlungen über einen EU-Beitritt der Türkei nicht nur in Frage stelle, sondern faktisch unmöglich mache, sagte Schulz dem "Kölner Stadt-Anzeiger".

UN-Konferenz in Istanbul

An diesem Montag nimmt die Kanzlerin zunächst am Nothilfegipfel der Vereinten Nationen (UN) teil, bei dem sie eine Rede halten will. Bei dem Gipfel in Istanbul - dem ersten dieser Art - geht es um eine bessere Koordinierung der Hilfe für die rund 125 Millionen Menschen, die laut UN weltweit auf Hilfe angewiesen sind.

haz/qu (rtr, dpa, afp)