1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Schwierige Nachbarn im Osten

Ute Schaeffer7. Juli 2004

Im niederländischen Den Haag treffen sich derzeit Politiker der Europäischen Union und der Ukraine zu einem zweitägigen Gipfel. Dabei geht es vor allem um das Fehlen demokratischer Standards in der Ukraine.

https://p.dw.com/p/5H0O
Immer wieder fordern die Ukrainer mehr PressefreiheitBild: AP


Seine Nachbarn kann man sich nicht immer aussuchen. Das geht auch der erweiterten Europäischen Union so. Wenn in dieser Woche routinemäßig der Ukraine-EU-Gipfel tagt, dann wird es auch um manches Thema gehen, das die ukrainisch-europäischen Beziehungen belastet.

Um das Fehlen demokratischer Standards zum Beispiel, wie er sich gerade im Augenblick - zu Beginn des Wahlkampfes zur Präsidentenwahl im Herbst - wieder zeigt. Oder um die Behinderung freier und kritischer Medien: Immer noch ist die Ermordung des ukrainischen Journalisten Georgiy Gongadze nicht aufgeklärt.

Ukrainische Justiz mit Sehschwächen

Stattdessen provoziert die ukrainische Justiz dadurch, dass sie binnen zwei Jahren den inzwischen vierten Mordverdächtigen aus dem Hut zaubert, ohne dass der Fall zum Abschluss gebracht wird. Den wirklich schwierigen Fragen hingegen wird nicht nachgegangen: So ist nach wie vor nicht geklärt, welche Verantwortung Führungsfiguren aus Innenministerium, Geheimdienst und Präsidialverwaltung an dem Mord tragen.

Für die Ukraine ist der Fall Gongadze lediglich ein "internes Problem", in das sich Europa nicht einzumischen hat. Doch für die europäisch-ukrainischen Beziehungen ist er zu einer echten Belastung geworden - ein klares Beispiel für die großen Demokratiedefizite im Land. Hier verliert Brüssel langsam die Geduld. Die Ukraine habe jetzt endlich ihre Hausaufgaben zu machen, fordert Elisabeth Schroedter, Abgeordnete im Europäischen Parlament.

EU hofft auf Politikwechsel

Die Wahl des Präsidenten Ende Oktober 2004 ist deshalb aus Brüsseler Sicht auch eine Chance für einen Politikwechsel. Die europäische Seite habe ihre Erwartungen klar formuliert, betont Schroedter. "Wir erwarten, dass der neue Präsident sich zu den Prinzipien der offenen Marktwirtschaft bekennt. Wir erwarten, dass die Beschlüsse des ukrainischen Parlamentes endlich umgesetzt werden", so die EP-Abgeordnete. "Nämlich, dass die ukrainische Gesetzgebung an die Gesetze der EU angepasst wird. Und dass es dazu konkrete Strategien gibt und nicht nur leere Worte."

Umgekehrt erwartet die Ukraine von Europa vor allem die Anerkennung als Marktwirtschaft. Auf dem europäisch-ukrainischen Gipfel will man versuchen, diesem Ziel etwas näher zu kommen. Denn dann wäre der Weg zum Beitritt zur Welthandelsorganisation (WTO) frei. Für Russland hat die Europäische Union bereits Ende 2002 eine solche Entscheidung getroffen. Und das, obwohl die strukturellen Schwächen der russischen und der ukrainischen Wirtschaft sich in vielerlei Hinsicht ähneln. Die Ukraine sieht sich in diesem Punkt nach wie vor benachteiligt. Aber die EU wird sich auch diesmal nicht zu größeren Zugeständnissen hinreißen lassen.

Es geht nicht voran

Dass die europäisch-ukrainischen Beziehungen auf der Stelle treten und sich Brüssel so offenkundig schwer damit tut, die Regierung in Kiew zu unterstützen, hat politische Gründe. Brüssel findet auf ukrainischer Seite kaum verlässliche Gesprächspartner. Der Präsident des Landes, Leonid Kutschma, ist diskreditiert. Unter ihm konnte in der Ukraine eine autoritäre Bürokratie gedeihen, welche alle Bereiche steuert: Politik und Wirtschaft bis hin zu den Medien.

Erst wenn es in diesen Punkten praktische und sichtbare Veränderungen hin zu einer Besserung gebe, werde eine Rückkehr zur "Politik der offenen Tür" möglich sein, meint EU-Parlamentarierin Elisabeth Schroedter. "Praktische Maßnahmen in Bezug auf die Gesetzgebung und deren Einhaltung wäre gut nütze", so Schroedter. "Das sind die Dinge, nach denen wir fragen müssen, um unsere Politik der offenen Tür weiter fortsetzen zu können."

Machtwechsel erwünscht

Charles Tannock, britischer Abgeordneter im Europäischen Parlament, wird noch deutlicher und stellt fest, dass nur ein Machtwechsel eine Veränderung der europäischen Politik gegenüber der Ukraine bewirken werde. "Alle Parteien im Europäischen Parlament würden einen Sieg der Opposition sehr begrüßen. Wenn Oppositionschef Viktor Juschtschenko Präsident würde, dann würde das auch eine schnelle Wandlung bewirken."

Mit Spannung blickt Brüssel deshalb auf die anstehende Präsidentenwahl. Ein Personal- und Politikwechsel ist aus europäischer Sicht nicht nur wünschenswert - er ist vielmehr eine Notwendigkeit, damit die ukrainisch-europäischen Beziehungen wiederbelebt werden können.