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Finanzmarktreform

20. Mai 2010

Schärfere Regeln für die Finanzmärkte standen im Mittelpunkt einer Konferenz in Berlin. Vor dem G20-Gipfel in Kanada wollte man schauen, wo man steht. Zu sehen gab es vor allem große Differenzen, meint Henrik Böhme.

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Wie kann man das Monster namens Finanzmarkt zähmen? Wie kann verhindert werden, dass sich eine solch gigantische Krise, wie sie die Welt seit zwei Jahren erleben muss, wiederholt? Die Suche der Politik nach den richtigen Antworten erinnert in fataler Weise an die Versuche zur Rettung des Weltklimas: Alle sind sich einig, dass etwas geschehen muss. Aber wenn es konkret wird, will keiner den Anfang machen. Das war auch auf der eintägigen Konferenz in Berlin wieder zu beobachten.

G20-Gastgeber stellt sich quer

Henrik Böhme, DW-Wirtschaftsredaktion (Foto: DW)
Henrik Böhme, DW-WirtschaftsredaktionBild: DW

Da fordert die deutsche Kanzlerin Angela Merkel in eindringlicher Weise die G20-Staaten auf, bei der geplanten Bankenabgabe an einem Strang zu ziehen. Und spricht dabei explizit Kanada, den Gastgeber des nächsten Gipfels an, der sich hier verweigert. Die Reaktion des kanadischen Vertreters ließ nicht lange auf sich warten: Nein, eine solche Einheitslösung werde es in Toronto nicht geben. Schließlich seien die Banken seines Landes nicht von der Krise getroffen worden und mussten auch nicht mit Staatsgeldern gerettet werden.

Solche nationale Egoismen, so verständlich sie sein mögen, sie passen nicht mehr in die heutige Zeit. Die Finanzmärkte kennen keine Grenzen und Ozeane mehr. Die Politik schon. Und so lange das so ist, wird es eine vernünftige Regulierung der Finanzmärkte nicht geben. Zugegeben, es ist ein extrem kompliziertes Feld, das da zu beackern ist. Aber die Konsequenzen müssen allen klar sein, wenn es nicht gelingt, die Finanzmärkte zu zähmen. Erst galt es, Banken zu retten. Dafür mussten die Retter gigantische Summen bereitstellen, die sie gar nicht hatten. Jetzt müssen schon die Retter gerettet werden – sprich einzelne Staaten. Und mit unvorstellbaren 750 Milliarden Euro muss man nun sogar einen ganzen Währungsraum absichern. Nur zur Erinnerung: Um die Asienkrise 1997 in den Griff zu bekommen, genügten lausige zehn Milliarden Dollar. Heute muss allein die bis zum Ausbruch der Krise weitgehend unbekannte deutsche Mittelstandsbank IKB mit gut 100 Milliarden Euro vom Staat gestützt werden.

Lösungen liegen auf dem Tisch

Mit einem Paket von 50 Maßnahmen reagierten die G20-Länder auf ihrem Krisengipfel unmittelbar nach dem Zusammenbruch der Bank Lehman Brothers. Das half, die Kernschmelze zu verhindern. Aber von dieser Dynamik ist nichts mehr zu spüren. Von den "Mühen der Ebene" war hier in Berlin die Rede. Das kann schon sein, aber es fehlt die Zeit: Die Hedgefonds dieser Welt haben ihre Reihen längst geschlossen. Sie sind zurzeit die Lieblingsgegner der Politik. Das macht sich gut und kommt beim Wahlvolk an. Allein: Es reicht vorne und hinten nicht aus. Warum nicht konsequent sein und den Banken das Handeln auf eigene Rechnung – den sogenannten Eigenhandel – verbieten? Sie zurückführen auf ihre ursprüngliche, dienende Aufgabe, für ihre Kunden da zu sein? Ihre Größe so zu beschränken, dass sie im Falle eines Bankrotts nicht das ganze System ins Wanken bringen? Und warum nicht – so wie Deutschland es vorgemacht hat: Ungedeckte Leerverkäufe verbieten? Und braucht die Welt wirklich Kreditausfallversicherungen, wo doch der Kreditgeber schon eine Risikoprämie kassiert – nämlich Zinsen?

Gleiche Regeln für alle

Es steht eine Menge auf dem Spiel. Es geht um nicht mehr und nicht weniger als um die Akzeptanz des Systems namens Marktwirtschaft. Weil die Menschen irgendwann das Vertrauen in dieses System verlieren, wenn sie ständig zur Kasse gebeten werden, um für Schäden zu bezahlen, die sie gar nicht verursacht haben. Krisen gehören zu diesem System. Sie bringen es voran. Aber es kann nicht so weiter gehen, dass an jedem Wochenende ein neues Rettungspaket geschnürt werden muss. Um das zu verhindern, gibt es nur einen einzigen Weg: Klare, einheitliche Regeln für alle Spieler im großen Casino. Und Schluss mit dem Prinzip: Die Gewinne streichen die Zocker ein, die Verluste begleicht der Steuerzahler.

Autor: Henrik Böhme

Redaktion: Sabine Kinkartz