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Politik

Die gespaltene Elfenbeinküste

Katrin Gänsler
19. Februar 2018

Sieben Jahre nach dem Ende der schweren Krise mit mehr als 3000 Toten bleibt die Elfenbeinküste ein gespaltenes Land. Versöhnungsversuche gehen nicht weit genug, manche Beobachter fürchten neue Spannungen.

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Die Skyline von Abidjan
In der Wirtschaftsmetropole Abidjan ist von der Krise nicht mehr viel zu sehenBild: DW/K. Gänsler

Wer in der ivorischen Wirtschaftsmetropole Abidjan unterwegs ist, steht oft im Stau -  vor allem im Bankenviertel Plateau. Dort wirkt die Stadt modern und aufstrebend, Wolkenkratzer prägen das Stadtbild. Auch der im November 2017 veröffentlichte Mo-Ibrahim-Index für gute Regierungsführung stellt dem rund 24 Millionen Einwohner zählenden Land ein gutes Zeugnis aus.

Die schwere Krise der Jahre 2010 und 2011 scheint auf den ersten Blick vergessen zu sein. Nach der Stichwahl um das Präsidentenamt erklärte der Verfassungsrat den damaligen Amtsinhaber Laurent Gbagbo zum Wahlsieger. Die Wahlkommission und die internationale Gemeinschaft betonten dagegen, Herausforderer Alassane Ouattara habe gewonnen. Die darauffolgenden Ausschreitungen forderten bis April 2011 mindestens 3000 Tote. Ouattara wurde schließlich Präsident, Gbagbo muss sich seit 2016 vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag unter anderem wegen der Anstiftung zum Mord verantworten.

Portraitfoto von Abraham Denis Yaurobat, Vorsitzender der APDH
Abraham Denis Yaurobat kritisiert den aktuellen Umgang mit der VergangenheitBild: DW/K. Gänsler

Totgeschwiegen und doch überall präsent

Auf den Straßen Abidjans wird über all das lieber geschwiegen, so wirkt es zumindest im ersten Moment. Keine gute Entscheidung, findet Abraham Denis Yaurobat, Präsident der Menschenrechtsorganisation APDH. "Bis heute haben die Konsequenzen Einfluss auf die Gesellschaft und das politische Leben", sagt er. Yaurobat befasst sich aktuell vor allem mit der Frage, wie eine echte Versöhnung zwischen beiden Lagern aussehen könnte. Immer wieder stößt er auf ein Problem: "Es gibt keinen Dialog zwischen Regierungs- und Oppositionspolitikern."

Dabei hatte Präsident Ouattara nach seiner Wiederwahl im Oktober 2015 die Versöhnung zum zentralen Element seiner zweiten Amtszeit erklärt. Gbagbo-Anhänger hatten die Wahl damals boykottiert. Mittlerweile hat die nationale Versöhnungskommission Conariv ihren Abschlussbericht vorgelegt. Knapp 317.000 Opfer sollen Entschädigungszahlungen erhalten. Die Zahlungen seien aber politisiert worden, kritisiert Anon Christ Simplice, Präsident der Opfer-Vereinigung AVIDGA. "Man entschädigt die Menschen aus einem Lager, aber nicht diejenigen aus dem anderen Lager. Deswegen sind die Leute heute wieder frustriert", sagt er.

Vorwurf der Siegerjustiz

Simplices Organisation vertritt nach eigenen Angaben 157.000 Personen. Auf die Frage, wie er die Krise erlebt hat, antwortet er knapp und ausweichend, erzählt aber von einem Angriff auf sein Heimatdorf. Er versucht, so unbeteiligt wie möglich zu wirken, was ihm irgendwann aber nicht mehr gelingt: "In Wirklichkeit kennt man die Täter doch. Aber ganz ehrlich: Sie sind sehr dicht an der Macht." Damit kritisiert er: Zur Rechenschaft gezogen wurden bisher Gbagbo-Anhänger. Dabei seien auch die Ouattara-Unterstützer nicht unschuldig. Diese starke Anhängerschaft macht das Zusammenleben so kompliziert und die Elfenbeinküste zu einem besonderen Fall.

Präsident Ouattara (Archivbild)
Präsident Ouattara hat für seine zweite Amtszeit Maßnahmen zur Versöhnung angekündigtBild: DW/K. Gänsler

Anders ist es beispielsweise in Gambia. Nachdem Ex-Herrscher Yahya Jammeh im Januar 2017 ins Exil gegangen war, kündigte Präsident Adama Barrow umgehend die Einrichtung einer Wahrheitskommission an und erhielt viel Zuspruch. In dem Mini-Staat ist allerdings auch die Mehrheit der Bevölkerung erleichtert, den Diktator endlich losgeworden zu sein. Gute Beispiele in Puncto Aufarbeitung sind für Abraham Denis Yaurobat deshalb vor allem Südafrika sowie das "Modell von Ruanda, das auch mit seinen traditionellen Gerichten mehr oder weniger ein Erfolg war". Anders hat man es 1970 nach dem Biafra-Krieg in Nigeria gemacht. "Kein Sieger und keine Besiegten" hieß der Slogan. Es kam zwar lange nicht zu Unruhen, der Bürgerkrieg wurde allerdings auch nie aufgearbeitet.

Die gespaltene Armee

Manche Beobachter befürchten, dass die anhaltenden Spannungen die Elfenbeinküste wieder in eine neue Krise stürzen könnten. So machen die Spaltungen innerhalb der Armee vielen Beobachtern Sorgen. "Das Militär besteht aus den ehemaligen Regierungstruppen, die unter Präsident Gbagbo gekämpft haben, und den eingegliederten Rebellen der ehemaligen Forces Nouvelles", erklärt Tinko Weibezahl, Leiter des Programms "Sicherheitspolitischer Dialog Subsahara Afrika" der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS). Den Soldaten der bisherigen Forces Nouvelles, die Ouattara während der Krise unterstützten, gelang es durch eine Meuterei im vergangenen Jahr, Sonderzahlungen zu erhalten. Laut Weibezahl habe das den Konflikt innerhalb des Militärs noch einmal verschärft. Aus seiner Sicht ist deshalb ein Konzept der Integration sowie Entwicklung des Militärs zu einer Einheit notwendig. "Das ist eine Aufgabe, die sich auch für das ganze Land stellt", so Weibezahl. 2020 stehen in der Elfenbeinküste wieder Wahlen an. Viele Beobachter hoffen, dass dann keine neue Krise ausbricht.