1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Schwierige Wahl für Libyer

7. Juli 2012

Die erste freie Wahl seit mehr als 40 Jahren hat begonnen. Allerdings werfen Unruhen im Osten Libyens und ein tödlicher Anschlag Fragen auf: Wie steht es um die Sicherheit und die demokratische Perspektive?

https://p.dw.com/p/15TBe
Wahlkämpfer mit Plakaten vor wahlen in Libyen (foto:AP)
Wahlen in LibyenBild: AP

Dieser Samstag soll in die Geschichte eingehen. Mehr als 2,8 Millionen Libyer haben sich in die Wählerlisten eintragen lassen, um frei und geheim ihre Volksvertretung zu bestimmen – zum ersten Mal nach dem Tod von Muammar al-Gaddafi. Die Nationalversammlung ersetzt den Nationalen Übergangsrat, der während des Aufstandes gegen Gaddafi im vergangenen Jahr gegründet worden war. Das Parlament soll eine neue Regierung benennen und die Wahl einer Verfassungskommission vorbereiten. Allerdings ist der Frieden in dem von Diktatur und Krieg gezeichneten Land noch immer brüchig. So werden die Wahllokale von Soldaten der nationalen Armee, aber auch von Milizen bewacht, die sich während der Revolution gebildet hatten.

Mitarbeiter der Wahlkommission getötet

Wenige Stunden vor dem geplanten Beginn der Abstimmung hätten "Feinde der Revolution" einen Helikopter mit Wahlunterlagen beschossen und zur Notlandung gezwungen, sagte der Sprecher des Übergangsrats, Saleh Darhub. Dabei sei ein Mitarbeiter der Wahlkommission des Landes getötet worden. Der stellvertretende Chef der Wahlleitung warf Innenministerium und der Armee daraufhin vor, die Sicherheit der Abstimmung nicht gewährleisten zu können.

Libyen hat gewählt - frei und meist friedlich

Im ölreichen Ostlibyen herrscht zudem Unmut über das Wahlgesetz, das dem bevölkerungsreicheren Westen mehr Abgeordnete zugesteht. Gruppen, die mehr Macht und Autonomie für ihre Region fordern, haben zum Wahlboykott aufgerufen. In der früheren Rebellenhochburg Bengasi wurde ein Büro der Wahlkommission attackiert, am Donnerstagabend erzwangen Aktivisten die Schließung wichtiger Ölraffinerien. Derzeit ist mit Blick auf die Bevölkerungsverteilung im Land vorgesehen, dass dem Westen hundert Sitze, dem Osten 60 und dem Süden 40 Sitze im neuen Parlament zukommen. Mehrere Milizen haben deshalb Proteste angekündigt und die Sorge vor Gewalt am Wahltag geschürt.

"Meilenstein für den demokratischen Wandel"

Anders als ursprünglich vorgesehen werden die neugewählten Parlamentarier nicht das Gremium benennen, das die neue Verfassung für das Land ausarbeiten soll. Über dessen Zusammensetzung solle das Volk gesondert abstimmen, hatte der Nationale Übergangsrat noch am Donnerstag verfügt. Dies solle die Spannungen zwischen den Bewohnern des Westens und des Ostens entschärfen.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle nannte die Wahlen "einen Meilenstein für den angestrebten demokratischen Wandel im neuen Libyen". Deutschland werde dem neuen Libyen weiter als Partner zur Seite stehen. "Wir wünschen uns ein Libyen, in dem auf der Grundlage einer verfassungsmäßigen Ordnung Rechtsstaat und Freiheit, Frieden und innere Aussöhnung sowie Pluralität und religiöse Toleranz verwirklicht werden können."

Dienstleistungen, Islam und Nationalismus

Rund 4000 Kandidaten bewerben sich um die 200 Sitze im Parlament. In dem weit offenen Rennen gelten vier Parteien als mögliche Favoriten: Die von der Muslimbruderschaft mitgegründete Partei für Gerechtigkeit und Aufbau, die säkulare Allianz der Nationalen Truppen des früheren Ministerpräsidenten Mahmud Dschibril, die Nationalfront, die aus einer Bewegung von Gaddafi-Gegnern hervorging, und die islamistische Al-Watan-Partei. Das Programm der meisten Kandidaten stützt sich auf drei Pfeiler: staatliche Dienstleistungen, Islam und Nationalismus. Unklar ist, wann erste aussagekräftige Ergebnisse der Wahl bekanntgegeben werden. Bis Oktober vergangenen Jahres war das Land mehr als vier Jahrzehnte lang von Gaddafi und seinem Clan beherrscht worden.

rb/SC (afp, dapd, dpa, rtr)