1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Sein statt Schein

Karin Jäger15. Januar 2009

Die Visitenkarte einer Stadt sollen sie laut den Marketingstrategen der Deutsche Bahn AG sein, doch allzu oft offenbaren sich Deutschlands Bahnhöfe als wahre Schandflecken.

https://p.dw.com/p/GZEq
Schild DB (Foto: DW/Karin Jäger)
Die Deutsche Bahn (DB) steht in der KritikBild: DW / Jäger

Ruhende Züge und Wände sind mit Graffiti beschmiert. Unzählige Bahnsteige, Zugangsbereiche und Wartehallen sind marode, verdreckt, laut, kalt, penetrant stinkend. An Hauptbahnhöfen großer Städte tummeln sich Junkies, Prostituierte, Obdachlose in dunklen Ecken neben grauen schmuddeligen Schließfachreihen. In düsteren Unterführungen wurden Fliesen abgeschlagen oder sind abgefallen, Putz bröckelt von den Wänden - so wie in Bad Godesberg. Erst durch den Bau der Eisenbahnstrecke wurde der heutige Bonner Stadtteil zum Ferien- und Altersruhesitz wohlhabender Bürger. Doch das 100-jährige Bestehen des Bahnhofs war kein Grund zum Feiern.

Bahnhof Bad-Godesberg (Foto: DW/Karin Jäger)
Der historische Bahnhof in Bonn-Bad Godesberg: Der Lack ist abBild: DW / Jäger

"Wie nach dem Krieg sieht es hier aus," schimpft eine Frau, die sich abmüht, ihren Koffer über die steile Treppe hinauf zum Bahngleis zu hieven. Senioren, Behinderte, Mütter mit Kindern suchen vergeblich nach einem barrierefreien Zugang zu den Gleisen. Vier Fahrkartenautomaten gibt es, von denen zwei defekt sind und einer nur mit einer Geldkarte genutzt werden kann. “Nicht einmal eine öffentliche Toilette gibt es“, beklagt ein älterer Herr. Dafür tropft es vom Dachüberstand auf den Bahnsteigen.

Feucht statt feudal

Fahrschein-Automaten (Foto: DW/Karin Jäger)
Nicht immer kommt man mit Kleingeld weiterBild: DW / Jäger

In Duisburg regnet es sogar rein, seit der Sturm Kyrill das Dach stark beschädigte. Zwei Jahre ist das nun schon her. Seither wurde es nur notdürftig geflickt, die Reisenden werden mit Netzen vor hinab fallenden Teilen geschützt.

Immerhin haben sich der Bund, das Land Nordrhein-Westfalen (NRW) und die Bahn AG auf ein Sanierungskonzept verständigt. Zehn Millionen Euro stehen für Duisburg zur Verfügung. Mit dem Geld soll aber erst einmal nur die Bahnhofshalle verschönert werden. Das unter Denkmalschutz stehende Gebäude ist veraltet, zu klein. Die Wege zu den Gleisen scheinen endlos lang.

Bis zum kommenden Jahr soll die Halle glänzen, denn zusammen mit den Städten Essen, Bochum, Oberhausen und Dortmund wird Duisburg sich als Kulturhauptstadt Europas 2010 präsentieren.

An Visionen herrscht kein Mangel, aber an Geld

Treppe (Foto: DW/Karin Jäger)
Stetig bergauf oder stetig bergab?Bild: DW / Jäger

Wenig repräsentabel zeigen sich derzeit die meisten Bahnhöfe im Ruhrgebiet, obwohl hier in den Ballungszentren die meisten Menschen Deutschlands leben und bewegt werden wollen.

In Dortmund wollte ein portugiesischer Investor mit dem Slogan "3 do" den ganzen Hauptbahnhof neu bauen - mit drei Bereichen für Einzelhandel, Freizeit und Verkehr. Mehr als eine halbe Milliarde Euro wurden veranschlagt. 80.000 Quadratmeter sollten genutzt werden, um der Bierstadt ein neues Image zu verpassen.

Doch Ernüchterung machte sich breit, das Geld für "3 do" fehlt. Nur noch 23 Millionen Euro sollen aufgewendet werden - für Wände, Decken und Böden. NRW-Landesverkehrsminister Oliver Wittke verspricht den Dortmundern nun einen funktionalen Bahnhof ohne Schnickschnack.

Verspätungen und Versprechungen

Zug um Zug soll sich etwas ändern. Denn Dortmund wird auch nach Ablauf des europäischen Kulturjahres 2010 eine wichtige Station bleiben - als Zielbahnhof des künftigen Rhein-Ruhr-Expresses. Im Viertelstundentakt sollen ab 2020 die großen Metropolen Köln, Düsseldorf, Duisburg, Essen und Dortmund angesteuert werden.

DB-Chef Hartmut Mehdorn (Foto: DPA)
DB-Chef Hartmut MehdornBild: dpa

Dann soll auch endlich die eingleisige Strecke auf zwei Gleise ausgebaut werden. Viele Berufspendler werden aufatmen, die im Zug immer wieder minutenlang auf Gegenzüge warten müssen, ehe es auf dem eingleisigen Stück weitergeht. Bis dahin halten es viele wie Bahnchef Hartmut Mehdorn oder Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee: Sie benutzen bevorzugt das Auto.