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Selbstironie aus Papenburg

Autor: Daniel Müller, Redaktion: Jochen Kürten17. März 2009

Der Comedian Oliver Polak hat ein Buch über seine Kindheit geschrieben: jüdisches Elternhaus, niedersächsische Provinz und sein Weg daraus. Das ist lustig und lotet dabei die Grenzen des deutsch-jüdischen Humors aus.

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Der Comedian Oliver PolakBild: Polak

Ein Medley aus deutscher Nationalhymne, jüdischer Folklore, Indierock und Udo Jürgens beschallt das Publikum und eine tiefblau beleuchtete Bühne. Dann tritt ein Mann vor die Zuschauer, der zuletzt einige Aufmerksamkeit in den deutschen Medien bekommen hat: Oliver Polak. Im Kölner Stadtgarten liest er aus seinem Buch „Ich darf, ich bin Jude“. Heute muss er vor einem besonderen Publikum bestehen. Denn in den ersten Reihen sitzen 40 Mitglieder der orthodoxen Synagogen-Gemeinde Kölns.

Possen in der Provinz

Polak entstammt der einzigen jüdischen Familie in Papenburg in der niedersächsischen Provinz. Was das für einen kleinen Jungen und einen Heranwachsenden bedeutet, ist für die „Normalen“, wie er die christliche Mehrheit seiner Mitmenschen liebevoll nennt, nun besser nachvollziehbar. Da geht es um die Sehnsucht nach einem Weihnachtsfest, um das Thema Beschneidung und um die Beziehung zu seiner omnipräsenten Mutter. Aber auch um skurrile Dorfdiskotheken und die ersten Küsse im Parkhaus.

Der Comedian Oliver Polak
Polak bei einem guten deutschen EssenBild: Polak

Wenn Polak dann in ALF, dem zotteligen Protagonisten einer amerikanischen TV-Serie aus den 1980ern, einen Seelenbruder entdeckt, sind die Koordinaten für das Buch gesteckt. Ein Werk, das vielleicht trotz oder gerade wegen seines anarchischen Klamauks vielen jungen Menschen mit jüdischem Hintergrund in Deutschland aus der Seele spricht. Und nicht nur denen: Denn Polak beschreibt im Grunde die Reise eines Außenseiters. Eine Geschichte, wie sie jeden Tag passiert. Nur wenige können aber daraus ein Buch formen.

Mit Maskottchen auf der Bühne

Und doch bricht er die teils kuschelige Coming-of-Age Geschichte immer wieder auf. So erzählt er von seinem Maskottchen – einem deutschen Schäferhund mit SS-Mütze und Judenstern. Dieser steht als Pappaufsteller auf der Bühne neben ihm und wurde von seinem Verleger so abgenickt: „Oliver! Tiere und Juden, das geht immer gut zusammen.“

Eine andere Geschichte: der Besuch des kleinen Oliver bei einem reichen Freund endet fatal. Oliver muss dringend pinkeln und macht dabei aus Versehen in die Sauna. Die Mutter des Freundes daraufhin: “Erst bringt ihr Jesus um – und jetzt pisst uns dieser Juden-Bengel auch noch in die Sauna.“ Solche Scherze könnten auch dem geneigten Hörer im Hals stecken bleiben. Aber Polak ist da schmerzfrei. Und bestimmt einiges gewöhnt.

Humor ist in jeden Fall Trumpf

Der jüdische Humor ist für Oliver Polak keine direkte Referenz, wie er immer wieder betont. Und doch bricht sich das Selbstironische in seinem Programm Bahn. In der Kulturgeschichte des jüdischen Humors ist Selbstironie eine Grundeigenschaft. Das heißt: die eigene Tradition verlachen und dennoch mit Herz und Seele Jude sein. Wenn Polak in seinem Programm diese Selbstironie nicht pflegen würde, wäre sein zum Teil krawalliger Humor zu prätentiös. Aber er bekommt mit feinen, kleinen Alltagsbeobachtungen immer wieder die Kurve.

Eine andere Eigenschaft des jüdischen Humors ist, nie den Humor zu verlieren – und sei die Situation noch so ausweglos. Beides – die Selbstironie und der Witz in der Ausweglosigkeit – passen perfekt zu Oliver Polaks Story vom Außenseiter, der sich langsam aus seiner Situation befreit.

Über England zu den Privaten auf die Bühne

Oliver Polak ist nach einem Aufenthalt in einem orthodoxen jüdischen Internat in England nach Deutschland zurückgekehrt. Hier hat er schnell Karriere gemacht, als Moderator bei VIVA und SAT.1. Sein Traum, ein Unterhalter zu werden, wurde wahr. - Und wie reagieren die Mitglieder der Synagoge-Gemeinde bei dem Auftritt in Köln? Sie nehmen es gelassen und lachen. Wohl auch, weil die meisten eher jung sind. Und vielleicht, weil sie sich nicht so ernst nehmen.