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Selbstzensur in israelischen Medien

Igal Avidan5. Februar 2004

Israels größte Zeitung hat den Journalisten Rapoport entlassen. Der Vorwurf: Er habe nicht journalistisch gearbeitet. Rapoport dagegen meint, die Gründe seien in Wirklichkeit andere.

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Nicht nur Rapoports Reportage über den Grenzzaun verursachte ÄrgerBild: AP

Es war wohl eine Schlagzeile zu viel, die Meron Rapoport seine Stelle als Leiter der Nachrichtenredaktion bei der größten israelischen Tageszeitung "Jedioth Acharonot" gekostet hat: "Scharon hat nicht die Wahrheit gesagt". Mit dieser Schlagzeile betitelte er einen Meinungsartikel über die scharfe Kritik des Leiters des israelischen Rechnungshofes an Scharon. Es ging um die Intervention des israelischen Premiers bei der Grundstücksbehörde, vermutlich um den Wert seiner Privatgrundstücke zu erhöhen.

Wie weich ist weich?

Obwohl die Schlagzeile der Kritik des israelischen Rechnungshofes entsprach, wurde Rapoport vier Tage danach entlassen – für Rapoport politische Selbstzensur seiner Zeitung: "Bei der Redaktionskonferenz an jenem Morgen sprach Chefredakteur Moshe Vardi darüber, dass man der Nachricht über den Bericht des Staatskontrolleurs einen "weichen" Titel geben müsse." Seine Nachrichten-Schlagzeile 'Ich habe alle Behauptungen Scharons widerlegt' sei ein direktes Zitat des Kontrolleurs gewesen. "Hätte ich Scharons Taten verdecken sollen? Das wollte ich nicht. Eigentlich sagte der Staatskontrolleur: 'Sharon hat gelogen', was auch eine mögliche Schlagzeile hätte sein können."

Rügen für die Wahrheit

Rapoport hatte nicht zum ersten Mal Ärger mit seinen Chefs. Seine erste Rüge erhielt der 46-Jährige im Frühjahr 2002, an dem Tag, an dem die israelische Armee irrtümlich zwölf palästinensische Zivilisten getötet hat, darunter auch sieben Kinder. Rapoport erinnert sich: "Am kommenden Tag erhielt die Redaktion mehrere Anrufe, die zu einem schwierigen Gespräch mit Vardi führten. Der Chefredakteur warf mir vor, ich benutzte die Zeitung für meine politischen Ansichten. Das habe ich aber nicht getan. Ich habe nur meine journalistische Pflicht erfüllt."

Streit um Grenzzaun

"Jedioth Acharonot" ist seit 20 Jahren die populärste Zeitung Israels und wird von jedem zweiten Israeli gelesen. Um diese Popularität nicht zu gefährden, vermutet Rapoport, sollten die Leser nicht verärgert werden. Genau das tat er aber mit seiner großen Recherche über den Trennungszaun.

Rapoport meint: "Mein Text war die erste umfassende Recherche in einer israelischen Zeitung über die Mauer, die unter anderem den Plan und deren Verlauf beinhaltete. Sechs Monate später veröffentlichte das Verteidigungsministerium die gleiche Landkarte."

Rapoport hat sich einen Namen als ehrlicher und mutiger Journalist gemacht. Für seine Untersuchung über den Verkauf der im Rahmen der Errichtung des Grenzzaunes entwurzelten palästinensischen Olivenbäume durch eine israelische Firma erhielt er in Italien den Napoli-Preis.

Protest gegen die Entlassung Rapoports

Über 100 Redakteure bei "Jedioth" unterschrieben ein Appell für ihn Rapoport, auch der Presserat intervenierte zu seinen Gunsten. Doch Rapoport weiß: Die größte Zeitung Israels braucht die Regierung, die die Lizenzen für elektronische Medien vergibt, an denen sich "Jedioth" Beteiligung hält. Chefredakteur Vardi dagegen sagt einfach, dass Rapoport entlassen wurde, weil er nicht journalistisch gearbeitet habe und seine Anweisungen immer wieder ignorierte. Zurzeit kämpft Rapoport gegen seine Entlassung und steht dadurch selbst in den Schlagzeilen. In seiner Freizeit schreibt er ein Buch über die neue Intifada.