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Sendeverbot gegen Tilos Rádió in Ungarn aufgehoben

5. Februar 2004
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Budapest, 4.2.2004, BUDAPESTER ZEITUNG, deutsch

Der Radiosender Tilos Rádió ist letzte Woche in den Äther zurückgekehrt. Ein Budapester Gericht hat das 30-tägige Sendeverbot, das die Medienaufsichtsbehörde ORTT über den unabhängigen Sender wegen seiner christenfeindlichen Bemerkungen zu Weihnachten verhängt hatte, rückgängig gemacht. Der Demonstrant, der vor dem Gebäude von Tilos Rádió eine israelische Flagge verbrannt hatte, behauptete indessen, er hätte zum Zeitpunkt der Tat unter dem Einfluss von mit Drogen versetzten Süßigkeiten gestanden.

Nachdem Tilos Rádió Berufung gegen das Sendeverbot der ORTT eingelegt hatte, hob das Oberste Gericht der Stadt Budapest letzte Woche die Entscheidung der Medienaufsichtsbehörde wieder auf. Hörer hatten Tilos bei der ORTT verklagt, nachdem ein Moderator während einer Talk-Show gesagt hatte: "Ich würde alle Christen ausrotten". Die ORTT hatte dem Sender daraufhin das Senderecht für 30 Tage entzogen, ihn für sechs Monate von den Ausschreibungen öffentlicher Rundfunk-Fonds ausgeschlossen und ihn letztmalig für das deutliche Übertreten des Rundfunkgesetzes verwarnt.

Die Maßnahmen gegen Tilos waren die bisher härteste Strafe der ORTT. Sie begründete ihre Entscheidung, indem sie aus zwei anderen Tilos-Sendungen vom Dezember zitierte. Am 9. Dezember hatte die ORTT festgestellt: "Die Moderatoren äußerten sich in abwertender Weise über christliche Symbole. Die Aufforderung, auf Kreuzen weltliche oder sogar vulgäre Nachrichten zu verewigen, und die Idee, Kreuze zu verbrennen, sind eine potenzielle Beleidigung für Christen." Am 19. Dezember habe der Sender den Nicht-Diskriminierungsparagraphen des Rundfunkgesetzes übertreten, indem Moderatoren auf einen Teil des Evangeliums Bezug nahmen und Elemente hinzufügten, die nicht in der Bibel stehen, und indem sie Jesus Christus einen "Bastard" nannten, fuhr die ORTT in ihrer Erklärung fort.

Der Juniorpartner der regierenden Koalition, die Allianz der Freien Demokraten (SZDSZ), wandte sich gegen die Entscheidung der ORTT, die er als zu hart bezeichnete und die eine Selbstzensur der Radioprogramme bewirken könnte. Der SZDSZ-Abgeordnete Mátyás Eörsi kündigte an, einen Entwurf für eine Resolution beim Europäischen Rat in Strasbourg einzureichen, die aussagt, die Sanktionen für Tilos würden die Redefreiheit in Ungarn bedrohen. Er forderte den Rat auf, die Lage der ungarischen Medien zu untersuchen. Die Oppositionsparteien Fidesz-MPSZ (Bund Junger Demokraten – Ungarische Sozialistische Partei – MD) und MDF (Ungarisches Demokratisches Forum – MD) wandten sich ebenfalls gegen die Entscheidung, allerdings weil dem Sender nach ihrem Dafürhalten die Sendelizenz für immer hätte entzogen werden müssen.

Eine Demonstration gegen Tilos vor dessen Gebäude am 11. Januar, zu der ein Fidesz-naher "Bürgerlicher Kreis" aufgerufen hatte, eskalierte, nachdem die Organisatoren die 3000 bis 4000 Teilnehmer aufgefordert hatten, den Platz zu verlassen. Eine Gruppe von 500 Demonstranten widersetzte sich der Aufforderung, rief antisemitische Parolen und verbrannte schließlich eine israelische Flagge. Nach einem Protest der Israelischen Botschaft und nach der Auswertung von Foto- und Video-Material wurden drei Männer verhaftet.

Am ersten Verhandlungstag gestand der Verdächtige Giorgo M. zwar, die Flagge verbrannt zu haben, allerdings habe er vorher Süßigkeiten von einem fremden Mann angenommen. Er argumentierte, das Bonbon sei mit Drogen versetzt gewesen, weil er sich nur daran erinnere, wie jemand zu ihm sagte: "Sei ein Patriot und halte sie." - gemeint war die brennende Flagge. Ein weiterer Verdächtiger namens Miklós B. gab ebenfalls zu, die Flagge verbrannt zu haben. Allerdings sagte es aus, die Tat sei kein Verbrechen, weil "die Zionisten" versuchten, "die Welt zu beherrschen", und weil sie Tilos Rádió finanzieren würden. Zoltán F., ein ungarischer Unternehmer aus Serbien, der die Flagge mit zur Demonstration gebracht hatte, gab an, die Tat sei eine "letzte Warnung an den Sender" und an "bestimmte Kreise" gewesen. Nachdem Giorgo M. vorgab, sich krank zu fühlen, verlegte das Pester Bezirksgericht die Verhandlung auf den 18. März.

Die Sozialistische Partei rief indessen die Fidesz-Führung um Viktor Orbán, János Áder und Pal Schmitt auf, ihre gegenstandslosen und verleumderischen Bemerkungen bezüglich der Verbrennung der israelischen Flagge am 11. Januar zu widerrufen. Der Fidesz hatte die Verbrennung der Flagge als Provokation bezeichnet, die sozialistischen Interessen diene. Die sozialistische Führung hatte daraufhin bei einem Treffen am Dienstag deutlich gemacht, dass die polizeilichen Ermittlungen die Behauptung des Fidesz widerlege. Die Parteileitung diskutierte zudem ihre Wahlkampf-Strategie für die Wahlen zum Europäischen Parlament. Laut Kovács werde eine Auseinandersetzung mit der politischen Opposition keine Rolle im Wahlkampf spielen. (fp)