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Politik

Serbien: Streit über Homo-Partnerschaften

7. Mai 2021

Der serbische Präsident Aleksandar Vučić dämpft Hoffnungen, dass eingetragene Partnerschaften für Homosexuelle bald kommen werden. Der ermüdende Kampf für Rechte der LGBT-Community in Serbien geht in die nächste Runde.

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Serbien LGBT-Pride-Parade in Belgrad
LGBT-Pride-Parade in Belgrad, 17.09.2017Bild: Reuters/M. Djurica

"Wir alle haben irgendwie unsere Maßstäbe runtergesetzt. Jetzt wollen wir nur, dass gleichgeschlechtliche Partner anerkannt werden, in welcher Form auch immer", meint der 29-jährige Stefan Šparavalo. Der Aktivist hat schon lange einen festen Partner und lebt offen homosexuell in der serbischen Hauptstadt Belgrad, was noch lange keine Selbstverständlichkeit ist.

"Das geplante Gesetz über eingetragene Partnerschaften stimmt mich hoffnungsvoll, auch wenn die Diskriminierung wohl bleiben wird", so Šparavalo gegenüber der DW.

Seit Monaten wird in Serbien über das Gesetz gestritten, dass die Regierung der offen lesbischen Premierministerin Ana Brnabić auf den Weg brachte. Der Entwurf sieht vor, dass registrierte homosexuelle Partner sich gegenseitig beerben oder im Gefängnis und Krankenhaus besuchen können. Sie sollen sich auch um die Kinder des Partners kümmern dürfen.

"Es gibt auch andere kleinere Unterschiede zur heterosexuellen Ehe, aber die zwei wichtigsten sind, dass die Beziehung nicht Ehe genannt werden darf - und keine Kinder adoptiert werden können", erklärt Šparavalo.

Serbien Ministerpräsidentin Ana Brnabic (L) und Präsident Aleksandar Vucic
Uneinig über den Gesetzentwurf: Serbiens Präsident Aleksandar Vučić und Premierministerin Ana Brnabić (Foto: 16.01.2018)Bild: MiloÅ¡ MiÅ¡kov/AA/picture alliance

Nun dämpft ausgerechnet Präsident Aleksandar Vučić die Hoffnungen der Schwulen und Lesben. Sollte das Parlament das Gesetz verabschieden, werde er das nicht unterschreiben können. Die Verfassung definiere die Ehe als Gemeinschaft von Mann und Frau, so Vučić in einem Interview.

Inszenierte Spaltung?

Vučić, Chef der regierenden Serbischen Fortschrittspartei, greift das Hauptargument der Konservativen und Rechtsextremen im Lande auf. Sie behaupten, sollte man den Homosexuellen eine registrierte Partnerschaft einräumen, würden rasch viele Schwule und Lesben diese als Ehe ansehen und daraus das Recht ableiten, Kinder zu adoptieren. Die traditionelle Familie stehe auf der Kippe, heißt es aus diesem Lager.

"Das ist eine plumpe Lüge", antwortet die zuständige Ministerin Gordana Čomić. "Das hier ist keine Ehe, hiermit werden bürokratische Schwierigkeiten der Menschen gelöst. Wir werden nicht aufgeben, bis alle in Serbien ihre Bürgerrechte haben."

Nun halten die meisten Beobachter die "Spannungen" zwischen dem Präsidenten, dem Parlament und der Regierung bestenfalls für schlechtes Theater. Denn nur Vučić hat das Sagen in dem Balkanland. Seine Partei regiert bis in das winzigste Dorf hinein, verteilt Jobs und kann sich auf die meisten Medien verlassen, die über Vučić wohlwollend berichten.

Seitdem ein Großteil der Opposition die Wahlen vor einem Jahr boykottierte, sind Abgeordnete der Fortschrittspartei und anderer regierungstreuer Kleinstparteien unter sich. Sie verfügen über eine satte Mehrheit im Parlament: 244 von 250 Mandaten.

"Es ist ein politisches Spielchen", meint Šparavalo. "Vučić inszeniert die Spaltung und verdeckt so die Tatsache, dass es in Serbien keinen politischen Pluralismus gibt."

Vučić gelingt dabei ein politischer Spagat. Der mächtige Präsident gibt seit einem Jahrzehnt rhetorisch den Europäer, bedient aber nach Bedarf die patriarchale und nationalistische Wählerschaft.

Rechte "ja", eigenes Gesetz "nein"

Einerseits ist die Regulierung der gleichgeschlechtlichen Partnerschaften so etwas wie eine Pflicht für alle Mitglieder des Europarats. Andererseits mag das Stimmen kosten - im nächsten Frühjahr möchte Vučić erneut als Präsident gewählt werden und vorgezogene Parlamentswahlen abhalten lassen.

Anti-Gay Graffiti im Zentrum von Belgrad
Anti-Gay Graffiti im Zentrum von Belgrad (2013)Bild: DW/I. Petrovic

Laut einer Umfrage vom Dezember 2020 unterstützt nur ein Viertel der Bürgerinnen und Bürger Serbiens die Einführung der Homo-Ehe. Obwohl die Homophobie in den letzten Jahren abgenommen hat, glauben immer noch 57 Prozent der Befragten, Homosexualität sei eine Krankheit. Trotzdem sind 80 Prozent der Serben dafür, homosexuellen Paaren wnigstern einige Rechte einzuräumen.

Auch sie sei dafür, aber gegen ein eigenständiges Gesetz, meint Marija Stajić von der "Koalition für die natürliche Familie". "Die Gesetzesvorlage schafft etwas nach dem Vorbild der Ehe. Und manche Befürworter verheimlichen gar nicht, dass das spätere Ziel die Kinderadoption ist", sagte Stajić der DW.

Eine Petition, die Stajić startete, hat ihre Unterstützer in den nationalistischen Oppositionsparteien und der Nationalen Akademie der Wissenschaften gefunden. Darunter ist auch der weltberühmte Regisseur Emir Kusturica. Auch die mächtige Serbisch-Orthodoxe Kirche ist gegen das Gesetz.

Der Präsident werde jetzt auf Zeit spielen, schätzen Kenner der serbischen politischen Szene. Das Thema könnte erst nach den Wahlen neu aufgerollt werden. Und so wird sich die LGBT-Gemeinschaft in Serbien wahrscheinlich einmal mehr gedulden müssen.