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Serbien: Keine moderne Verfassung in Sicht

16. Februar 2006

Am 15. Februar feiert Serbien Nationalfeiertag. Vor fünf Jahren wurde er eingeführt, im Gedenken an die 1835 verabschiedete Verfassung. Im heutigen Serbien wartet man jedoch schon seit Jahren auf eine moderne Verfassung.

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Der 15. Februar steht auch für einen großen serbisch-orthodoxen Feiertag, Sretenje, nach dem die Verfassung auch ihren Namen erhielt. Sie galt damals, 1835, als eine der liberalsten Verfassungen Europas und stellt den Grundstein des modernen serbischen Staates dar. Interessant am Gedenktag ist heute, dass Serbien auch im Jahr 2006 noch immer keine neue Verfassung hat. Der im Augenblick gültige Gesetzestext stammt noch aus der Regierungszeit von Slobodan Milosevic. Auch wenn die aktuelle und die vorherige Regierung versprochen haben, einen neuen und modernen höchsten Rechtsakt zu verabschieden, ist dies noch nicht geschehen.

Trotz demokratischer Wende keine neue Verfassung

Nenad Konstantinovic, Jurist und Vorstandsmitglied der Demokratischen Partei, sagte gegenüber DW-RADIO, dieses Verhalten könne keinesfalls gerechtfertigt werden. „Leider haben wir auch nach so vielen Jahren der demokratischen Wende in Serbien noch keine moderne und fortschrittliche Verfassung. Auch wenn häufig von der Regierung zugesichert wurde, dass eine neue Verfassung verabschiedet würde. Es wäre gut, wenn die Menschen, die dieses Land führen, sich ein Beispiel an denen nehmen, die in der Vergangenheit aus Serbien einen modernen, europäischen Staat geschaffen haben.“

Staatsfeiertag ohne Staat

Der ehemalige Justizminister Vladan Batic, der während seiner Amtszeit versprach, dass eine neue Verfassung eben an besagtem Feiertag, dem 15. Februar vor drei Jahren, verabschiedet würde, sagt nun: „Serbien ist wohl das einzige Land auf der Welt mit einem Staatsfeiertag, ohne einen Staat zu haben. Das ist ein unglaubliches Paradoxon.“ Die vergangenen fünf Jahre haben gezeigt, dass es nicht ausreicht, einen Tag zum gesetzlich arbeitsfreien Feiertag zu ernennen, damit die Bevölkerung diesen als solchen auch annimmt. In vielen Unternehmen wird weitergearbeitet. Außerdem ist dieser Nationalfeiertag weitgehend unbekannt. „Wenn die Medien nicht immer ein paar Tage früher darüber berichten würden, wüsste niemand, dass es ihn gibt“, so ein Passant. Jurist

Konstantinovic wundert die Unwissenheit der serbischen Bevölkerung nicht: „Es ist normal und natürlich, dass die Bürger diesen Feiertag nicht wirklich wahrnehmen. Dafür gibt es einen einfachen Grund: Denn wir wissen nicht, in welchem Staat wir leben. Wir leben nicht in einem Staat Serbien, sondern in Serbien und Montenegro. Doch es ist ungewiss, ob Montenegro in einem Monat noch teil dieses Staates ist.“

Ejub Stitkovac, Belgrad

DW-RADIO/Serbisch, 15.2.2006, Fokus Ost-Südost