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Serbien schlittert in die Krise

Klaus Dahmann17. November 2003

Von dem politischen Vakuum in Serbien profitiert nur jene kriminelle Schattenwelt, der der Staat nach der Ermordung von Ministerpräsident Zoran Djindjic den Kampf angesagt hatte – meint Klaus Dahmann in seinem Kommentar.

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In Serbien können jetzt nur wenige die Sekt-Korken knallen lassen und sich zuprosten: Mafia-Bosse, Wirtschaftskriminelle und Günstlinge des Ex-Regimes von Slobodan Milosevic. Triumphieren können all jene, denen ein stabiler demokratischer Staat ein Dorn im Auge ist, weil er sie effektiv bekämpfen könnte. In der ersten Wahlrunde wäre eine Wähler-Quote von 50 Prozent notwendig gewesen. Am Sonntag (16.11.) gingen aber weniger als 40 Prozent der Wahlberechtigten zu den Urnen.

Von politischer Stabilität ist in Serbien schon seit Wochen nicht mehr viel zu spüren: Die DOS-Koalition hat sich durch ihre internen Streitereien selbst regierungsunfähig gemacht, so dass nun vorgezogene Neuwahlen im Dezember als einziger Ausweg blieben. Und die Wähler haben ihre Frustration über das Politgerangel nun zum dritten Mal bei den Präsidentschafts-Wahlen zum Ausdruck gebracht, indem deutlich weniger als die Hälfte zur Stimmabgabe erschienen.

Nicht zu den Urnen gegangen sind übrigens gerade jene, die den demokratischen Kandidaten Dragoljub Micunovic unterstützen Er lag in den Umfragen noch vor seinem nationalistischen Gegner Tomislav Nikolic. Nach Auszählung der Stimmen hingegen entfielen auf Nikolic rund zehn Prozentpunkte mehr als auf Micunovic.

Fest steht, diejenigen, die nicht zur Stimmabgabe gegangen sind, haben nur eines erreicht: Sie haben den Staat in die tiefste Krise seit dem Ende des Milosevic-Regimes gestürzt. Bei allem Verständnis für die Politik-Verdrossenheit im Lande: Eine Demokratie funktioniert eben nur, wenn die Wähler wählen gehen. Wer das dieses Mal nicht getan hat, muss sich letztlich fragen lassen: Was ist die Alternative? Muss erst ein neuer Slobodan Milosevic kommen, der Wahlzettel fälscht und sich so eine Beteiligung von 50 Prozent verschafft?

Sicher, das Land wird auch ohne gewählten Präsidenten weiter bestehen. Parlamentspräsidentin Natasa Micic hat diesen eher repräsentativen Posten seit Anfang des Jahres provisorisch übernommen und wird das voraussichtlich auch in den nächsten Monaten fortsetzen. Doch gerade jetzt, da die DOS-Koalition zerfallen ist, wäre ein demokratisch legitimierter Präsident vonnöten, der sich bereits hinter den Kulissen um ein neues regierungs-fähiges Parteienbündnis bemüht.

Nicht zuletzt aber war diese Präsidentschaftswahl ein Test für die bevorstehende Parlamentswahl Ende Dezember. Wenn auch dann die Mehrzahl der demokratisch gesinnten Wähler nicht die Stimme abgibt, dann werden jene nationalistischen Kräfte als Sieger hervorgehen, die man mit Milosevic fortgefegt glaubte. Und dann werden es wieder vor allem die Mafia-Bosse sein, die die Sekt-Korken knallen lassen.