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Serbien und Montenegro vor getrennten Wegen?

Filip Slavkovic3. März 2005

Am Donnerstag (3.3.) endet die Legislaturperiode in Serbien-Montenegro. Wahlen zu einem neuen Parlament haben aber nicht stattgefunden. Stimmen, die eine Abschaffung des Staatenbundes fordern, werden laut.

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Ein Prosit auf die Unabhängigkeit: Djukanovic nach seinem Wahlsieg 2001Bild: AP

Vor knapp zwei Wochen hat der montenegrinische Ministerpräsident Milo Djukanovic in einem Schreiben an die serbische Regierung einen neuen Vorschlag zur Zukunft des gemeinsamen Staatenbundes dargelegt: Der lose Bund solle in eine Union unabhängiger Staaten umgewandelt werden. Demnach würde es kein richtiges Parlament sondern nur noch eine Art Föderationsrat geben. Die Teilrepubliken Serbien und Montenegro würden ein wirtschaftlich-politisches Zweckbündnis eingehen, aber - anders als bisher - ihre eigene Außen- und Sicherheitspolitik betreiben.

Der jetzige Staatenbund Serbien-Montenegro ist Anfang 2003 aus dem damaligen Jugoslawien hervorgegangen. Grundlage war der so genannte Belgrader Vertrag, der eine lange Verfassungskrise beendete und nur nach massivem Druck der EU unterzeichnet wurde. Darin ist unter anderem vorgesehen, dass nach drei Jahren die Bürger in den beiden Teilrepubliken über eine Unabhängigkeit abstimmen können. Der montenegrinische Ministerpräsident Djukanovic verfolgt dieses Ziel mit Nachdruck, wie er bereits bekräftigte. Es könne keinen Zweifel daran geben, dass Montenegro das Recht habe, eine Volksabstimmung über eine Unabhängigkeit durchzuführen. Spekulationen darüber, ob Montenegro von diesem Recht Gebrauch machen will oder nicht, seien überflüssig. "Wir werden das tun. Das haben wir unseren Partnern in Belgrad und unseren Partnern in Brüssel ganz offen angekündigt", sagt Djukanovic.

Loses Provisorium

Schon 2002 hatten viele den Staatenbund als Provisorium betrachtet. Der Zusammenhalt ist sehr lose. Die wichtigste Kompetenz des Bundes ist die Außen- und Verteidigungspolitik. Wirtschafts- und Zollfragen hingegen obliegen den Republiken. Montenegro hat eigenmächtig den Euro als offizielle Währung eingeführt, Serbien hält am Dinar fest. Montenegro ist stark vom Tourismus abhängig, Serbien ist ein ausgeprägtes Agrar- und Industrieland - dies macht eine einheitliche Steuer- und Zollpolitik fast unmöglich. Serbien möchte viel Geld in die umfangreichen, aber maroden Streitkräfte investieren, Montenegro plant eine 4000 Mann starke Berufsarmee.

Djukanovic hat seinen Vorschlag einer noch loseren Union anlässlich des Streits um das gemeinsame Bundesparlament vorgelegt. Dessen Legislaturperiode ist am Donnerstag (3.3.) zu Ende gegangen. Fällige Neuwahlen hat die montenegrinische Regierung erfolgreich verhindert: Djukanovic fand das überflüssig, weil er ja in einem Jahr sowieso eine Volksabstimmung abhalten will. Deshalb drängt er darauf, Abgeordnete nicht wählen zu lassen, sondern zu delegieren. Belgrad war dagegen und beharrte auf einer Direktwahl. Weil es keine Einigung gab, werden die Mandate der bisherigen Abgeordneten einfach verlängert - bis eine Lösung gefunden ist.

Lösung aus Brüssel?

Die Lösung, so hofft man in Belgrad, könnte aus Brüssel kommen. Der außenpolitische Beauftragte der EU, Javier Solana, hatte den montenegrinischen Premier am Donnerstag (3.3.) nach Brüssel eingeladen. Doch auch nach dem Treffen hielt Djukanovic an seiner Forderung fest, dass er die Staatengemeinschaft mit Serbien beenden will. Solana ist einer der Unterzeichner des Belgrader Vertrages. Und die EU vertritt seit Jahren den Standpunkt, Serbien und Montenegro könnten nur zusammen Mitglieder werden.

Auf diesen Standpunkt stellen sich auch die Politiker in Belgrad. "Es ist meine Überzeugung, dass wir Ende März die endgültige positive Machbarkeitsstudie bekommen und die Stabilisierungs- und Assoziierungsverhandlungen mit der EU beginnen werden. Und dass wir endgültig Mitglieder des NATO-Bündnisses sein werden", sagt der Präsident des Staatenbundes Svetozar Marovic - eigentlich ein Montenegriner und Parteifreund Djukanovics.

Belgrad blockt

Vojislav Kostunica
Vojislav KostunicaBild: DPA

Doch weder Marovic noch der serbisch-montenegrinische Außenminister Vuk Draskovic können offenbar entscheidenden Einfluss auf die Kontrahenten ausüben. Die serbische Regierung von Vojislav Kostunica verweigert Verhandlungen über eine Unabhängigkeit Montenegros. Sie befürchtet, dass das auch die Unabhängigkeitsbestrebungen der Kosovo-Albaner beflügeln könnte. Bald sollen nämlich Verhandlungen über den künftigen Status der von der UNO verwalteten Provinz eröffnet werden.

Djukanovics Pläne sind in Montenegro nicht unumstritten: Die dortige Opposition tritt für eine stärkere Bindung mit Serbien ein. Zwar befürwortet laut Meinungsforschern die Mehrheit der Montenegriner die Selbstständigkeit, doch diese Mehrheit könnte nur wenige Prozentpunkte betragen, die Zahl der Unentschlossenen ist hoch.

Kosovo dazu?

Derweil beginnt man in Westeuropa, über Djukanovics Unabhängigkeitsbestrebungen nachzudenken. Franz-Lothar Altmann, Balkan-Experte der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik, will diese Pläne nicht grundweg ablehnen. De facto sei die Trennung ohnehin schon sehr weitgehend. "Ob man das jetzt besiegelt durch eine sehr lose Union - warum nicht? Man könnte sogar noch einen Schritt weiter denken und sagen: In so eine Union dieser zwei könnte als Dritter unter Umständen dann auch noch Kosovo hinzutreten", meint der Wissenschaftler.

Eine Unabhängigkeit Montenegros liege auch in Djukanovics persönlichem Interesse, meint Altmann. Dem montenegrinischen Regierungschef droht in Italien wegen Beihilfe zu Zigarettenschmuggel in den 1990er Jahren ein Prozess. Dort wurde kürzlich entschieden, dass Djukanovic als Ministerpräsident der Teilrepublik Montenegro keine Immunität genießt und deshalb angeklagt werden kann. Hätte er das höchste Amt in einem unabhängigen Montenegro inne, könnte man ihn nicht belangen.