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Serbien wählt Präsidenten

Sanja Blagojevic19. Januar 2008

Reale Chancen auf das serbische Präsidentenamt haben der europafreundliche Amtsinhaber Boris Tadic und der Ultranationalist Tomislav Nikolic. Vieles spricht für einen knappen Ausgang - und eine Stichwahl im Februar.

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Boris Tadic (li.) und Tomislav Nikolic, Quelle: AP
Boris Tadic (li.) und Tomislav Nikolic - unterschiedlicher könnten Kandidaten kaum seinBild: AP

Boris Tadic oder Tomislav Nikolic? Bei den serbischen Präsidentschaftswahlen geht es am Sonntag (20.1.) um die Frage, welcher dieser beiden Männer Staatsoberhaupt wird. Die beiden Politiker sind die einzigen aussichtsreichsten Kandidaten, den anderen sieben Mitbewerbern werden keine Chancen eingeräumt. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird aber weder Tadic, der einen entschiedenen EU-Kurs fährt, noch Nikolic, der auf ein stärkeres Bündnis mit Moskau setzt, die absolute Mehrheit schon in der ersten Runde erreichen. Es spricht viel für einen zweiten Wahlgang am 3. Februar.

Amtsinhaber Tadic, Quelle: AP
Amtsinhaber Tadic will Serbien in die EU führenBild: AP

Boris Tadic, der amtierende Präsident, will das Land weiter Richtung EU steuern. Dort ist die Zukunft, argumentiert er: "Bei diesen Wahlen wird zwischen zwei Wegen gewählt", sagt Tadic. "Zwischen einem besseren Leben und dem Weg nach Europa, der Stabilität bringt, und dem Irrweg, der Serbien wieder in Richtung 1990er Jahre führt."

Serbien - Teil Russlands?

Sein Gegner, der Radikale Tomislav Nikolic, schätzt die Bedeutung der EU anders ein. Er glaubt, sein Land solle sich stärker an Russland binden. Bei einer Sitzung im Parlament warb er sogar dafür, dass Serbien russische Teilrepublik wird. Inzwischen gibt er sich diplomatischer: "Russland ist der wichtigste Partner der EU", sagt Nikolic. "Unsere Politiker versuchen uns davon zu überzeugen, dass wir entweder mit Russland oder mit der EU gehen sollen. Das ist Unsinn, weil Russland und die EU ausgezeichnete Beziehungen haben", erklärt er weiter.

Nationalist Nikolic, Quelle: AP
Nationalist Nikolic schaut primär nach MoskauBild: AP

Trotzdem bleibt klar, dass bei diesen Wahlen zwei Welten aufeinander treffen. Der Markt- und Medienforscher Srdjan Bogosavljevic betrachtet die Wahlen als Referendum für oder gegen Europa. "Die Bürgerinnen und Bürger haben noch gar nicht begriffen, wie unterschiedlich die Konzepte der beiden Favoriten sind", sagt der Experte. "Falls es zum Machtwechsel kommt, würden wir uns vor einer ernsthaften politischen Wende befinden."

Wenig Begeisterung für Europa

Die Wähler für die EU zu begeistern ist alles andere als leicht. Die Unabhängigkeit des Kosovo steht vor der Tür - und die EU spielt hierbei eine große Rolle. Die Aussagen von EU-Politikern werden immer deutlicher: Die Anerkennung der einseitigen Unabhängigkeit des Kosovo ist so gut wie sicher, eine EU-Mission zu entsenden ist fest geplant - Themen, die in Serbien für große Aufregung sorgen.

Seit Wochen versuchen Premierminister Vojislav Kostunica und seine Minister, eine Entscheidung der EU zu erreichen: Sie soll entweder ihre Mission in das Kosovo schicken oder das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit Serbien unterschreiben. Um negative Folgen zu vermeiden, schickte Tadic Anfang Januar den Außenminister nach Brüssel und Berlin. Er sollte sich vergewissern, dass es auch tatsächlich zu der Unterzeichnung des Abkommens zwischen Serbien und der EU kommt.

Wahlkampf merkwürdig blass

Nikolic-Anhänger mit Fanmütze, Quelle: AP
Nikolic-Fan mit MützeBild: AP

Es geht also um sehr viel für Serbien, doch der Wahlkampf bleibt merkwürdig blass: Die Kandidaten schaffen es nicht hervorzuheben, wie wichtig die Wahlen sind. Sie ergehen sich vielmehr in Absichtserklärungen, ohne ihre Wettbewerber direkt anzugreifen. Es gibt wenig Duelle, und wenn es sie gibt, sind sie alles andere als überzeugend.

Srdjan Bogosavljevic hat dafür eine Erklärung: "Wir haben zwei wichtige Kandidaten. Und keiner kann sich vorstellen, dass jemand anderes Wahlsieger werden könnte." Es sei aber auch klar, dass es einen zweiten Wahlgang geben werde, da vier weitere starke Kandidaten zusammen auf rund 25 Prozent der Stimmen kämen. "Es kann also durchaus sein, dass Tadic und Nikolic ihre Trümpfe für die zweite Runde bewahren." Ob und welche Karten sie aus den Ärmel schütteln, bleibt offen. Schützenhilfe für Tadic könnte aus Brüssel kommen - sollte die EU Ende Januar das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen unterzeichnen.