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Serbien wegen Mladic unter Druck

22. Februar 2006

Der mutmaßliche serbische Kriegsverbrecher Mladic ist entgegen anders lautender Meldungen nicht gefasst. Macht die Regierung in Belgrad nun aber ernst mit der Jagd auf den Ex-General?

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Gesucht: Ratko Mladic (1995)Bild: AP

Der als Kriegsverbrecher gesuchte ehemalige bosnische Serbengeneral ist noch immer auf freiem Fuß. Das teilte die Chefanklägerin beim UN-Tribunal in Den Haag, Carla Del Ponte, am Mittwoch mit. Sie dementierte damit Berichte, Mladic sei nach mehr als zehn Jahren auf der Flucht verhaftet worden. Mladic ist wegen Völkermords an den bosnischen Muslimen angeklagt. Ratko Mladic steht ganz oben auf der Fahndungsliste des UN-Tribunals in Den Haag.

Die serbische Regierung in Belgrad war zuletzt verstärkt unter Druck geraten, nachdem die EU mit dem Abbruch der Gespräche über engere Beziehungen gedroht hatte, falls Mladic nicht bis Ende Februar 2006 gefasst sein sollte. Brüssel und Belgrad hatten die Verhandlungen erst Anfang November 2005 aufgenommen; serbische Politiker hoffen, dass sie Ende 2006 abgeschlossen werden können.

Carla Del Ponte
Carla Del PonteBild: AP

Die Bemühungen zur Ergreifung Mladics hatten vor den konkreten Drohungen der EU einer Farce geglichen. Immer wieder verlangte UN-Chefermittlerin Del Ponte von der serbischen Regierung, für die Verhaftung von Mladic und dem damaligen politischen Führer der bosnischen Serben, Radovan Karadzic, zu sorgen. Bei ihren insgesamt 13 Besuchen in Belgrad hatte sie stets über die aus Sicht des Tribunals unzureichende Zusammenarbeit bei der Ergreifung mutmaßlicher Kriegsverbrecher zu klagen. Obwohl Belgrad beschlossen hat, den Haager Ermittlern Einsicht in alle Dokumente zu gewähren, konnte davon lange keine Rede sein.

Gesucht oder geschützt?

Bis 2002 war Mladic offensichtlich von Offizieren unterstützt worden. Der General lebte zeitweilig unbehelligt in einem Belgrader Vorort und veröffentlichte sogar Bücher - trotz der Beteuerungen der serbischen Behörden, sie wüssten nicht, wo sich Mladic aufhalte. Nach inoffiziellen Angaben der Armee soll es seitdem Dutzende Versuche gegeben haben, Mladic festzunehmen.

Anfang Februar hatte die serbische Regierung bekannt gegeben, dass sich eine Sonderfahndungseinheit künftig auf die Suche nach Mladic machen solle. Der Belgrader Staatsanwalt für Kriegsverbrechen, Vukcevic, wird diese Gruppe nach serbischen Angaben leiten. Sie soll künftig in direktem Kontakt mit UN-Chefanklägerin Del Ponte stehen und aus Den Haag auch Erkenntnisse westlicher Geheimdienste erhalten.

Ratko Mladic und Radovan Karadzic
Ratko Mladic und Radovan Karadzic (undatiert)Bild: AP

In Serbien ist sogar vom "kroatischen Modell" die Rede, das nun hierher übertragen werden soll. Ende letzten Jahres war eine kleine Gruppe kroatischer Fahnder auf die Spur des mutmaßlichen Kriegsverbrechers und früheren Generals Gotovina gekommen. Er wurde in Spanien festgenommen und an das UN-Tribunal ausgeliefert.

Druck von außen und innen

Dem Druck der internationalen Gemeinschaft steht in Belgrad die Furcht vor den innenpolitischen Folgen gegenüber. Denn für viele Serben sind Mladic und Karadzic noch immer Volkshelden. Noch ist keiner der beiden, wegen Völkermords beschuldigten Angeklagten rechtskräftig wegen des Massakers von Srebrenica im Jahr 1995 verurteilt worden.

Dem damaligen jugoslawischen Staatschef Slobodan Milosevic, der schon wegen seiner Position als Chefideologe und oberster Befehlshaber des Genozids gilt, wird seit mehr als vier Jahren der Prozess gemacht. Ob in diesem Jahr wie geplant ein Urteil fällt, ist offen. Und wenn, dann nur in der ersten Instanz - ein langes Revisionsverfahren ist so gut wie sicher. (sams)