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Serbiens neue, alte Führung

27. Juli 2012

Das serbische Parlament hat die neue Regierung gebilligt. An deren Spitze steht Ministerpräsident Ivica Dacic, der bereits während des Balkan-Krieges unter Milosevic die politischen Geschicke des Landes mitgestaltete.

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Serbiens neuer Ministerpräsident Ivica Dacic (Foto: AP)
Bild: AP

Zwölf Stunden dauerte die Debatte im Parlament in Belgrad bis es mit 142 zu 72 Stimmen für den 46-jährigen Dacic als Regierungschef stimmte. Der Vorsitzende der Sozialisten (SPS) ist kein Unbekannter: Einst war er Sprecher des ehemaligen serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic, dem wegen seiner Rolle in dem blutigen Konflikt in den 1990er Jahren vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag der Prozess gemacht wurde. Damals als Sprecher wetterte Dacic massiv gegen den Westen und die Europäische Union.

Nun will er das Vergangene ruhen lassen. Mit der Zukunft und nicht mehr mit der Vergangenheit sollte man sich beschäftigen, sagt Dacic. Daher will er in seiner Amtszeit auch den geplanten EU-Beitritt Serbiens vorantreiben, die Wirtschaft ankurbeln und den Dialog mit dem benachbarten Kosovo wiederaufnehmen. "Wenn man sagt, dass das Wort 'Balkan' von 'Blut und Honig' kommt", kommentierte Dacic, so habe es genug Blut gegeben. "Es wird Zeit, auch den Honig zu schmecken." Dacic übernimmt im neuen Kabinett neben dem Posten des Regierungschefs auch das Innenministerium.

Neue, alte politische Riege

Die Sozialisten führen die neue Regierung an, obwohl sie bei der Parlamentswahl Anfang Mai nur auf den dritten Platz gekommen waren. Die meisten Stimmen hatte damals die nationalistische Serbische Fortschrittspartei (SNS) von Präsident Tomislav Nikolic erhalten, die ebenfalls der neuen Regierungskoalition angehört. Nikolic war es auch, der Dacic mit der Regierungsbildung beauftragt hatte. Dritte Partei im Bunde ist die Partei der Regionen (URS). Die neue, nationalistische Regierung bricht damit die Vormachtstellung der Reformer, die das Land seit dem Sturz von Milosevic 2000 führten.

Im Westen wird der Aufstieg des neuen Ministerpräsidenten mit Misstrauen verfolgt. Westliche Diplomaten räumen Zweifel ein, dass Dacic zu den politischen und wirtschaftlichen Reformen wirklich bereit ist, die für einen EU-Beitritt nötig wären. Außerdem steckt Serbien in einer tiefen Rezession, die Arbeitslosigkeit liegt bei 25 Prozent und die alternde, schrumpfende Bevölkerung bekommt ein Durchschnittseinkommen von 340 Euro im Monat. Weiteres Misstrauen schürt Dacic mit seiner Weigerung, die Unabhängigkeit der ehemaligen Provinz Kosovo anzuerkennen.

nis/kis (afp, rtr, dapd, dpa)