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Serbische Geheimdienstakten auf dem Weg ans Licht

Ljiljana Guslov Renke27. August 2003

In 40 Jahren Kommunismus haben sich in Serbien mehr als 400.000 Geheimdienstakten angesammelt. Es scheint, als könnten die Bürger demnächst endlich erfahren, was über sie niedergeschrieben wurde.

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Nach deutschem Vorbild: Einsicht in Geheimdienstakten in ReichweiteBild: AP

Als Slobodan Milosevic am 5. Oktober 2000 gestürzt wurde, versprach die Regierung, die Demokratische Opposition Serbiens (DOS) den Bürgern die Öffnung der Geheimdienstakten. Das sei, so verlautete bereits aus der damaligen provisorischen Regierung, eine der Voraussetzungen für die Abrechnung mit der dunklen Vergangenheit. Gleichzeitig sei es eine Möglichkeit, die Spitzel und all diejenigen zu entlarven, die das gestürzte Regime von Slobodan Milosevic unterstützt hätten. Eingelöst wurde das Versprechen nur zum Teil.

Nur Ausschnitte für die Allgemeinheit

Bis heute können die Bürger nicht uneingeschränkt in den rund 400.000 Geheimdienst-Akten stöbern, die sich in den mehr als 40 Jahre Kommunismus und 13 Jahre Herrschaft von Milosevic angesammelt haben. Es scheint jedoch, als werde das Versprechen am Ende doch noch eingelöst: Nach langen heftigen Diskussionen denn ein entsprechendes Gesetz ist nach endlich auf dem Weg.

Einen kleinen Blick konnten die Bürger schon vorher in die Akten werfen: Ein Jahr nach dem Machtwechsel verabschiedete die Regierung eine entsprechende Verordnung. Sie war jedoch umstritten, weil nur selektive Auszüge aus den Akten zugänglich waren. Namen von Spitzeln suchte man vergeblich. Nicht-Regierungs-Organisationen kritisierten, so eine wichtige Angelegenheit müsse nicht durch eine Verordnung, sondern durch ein richtiges Gesetz geregelt werden. Sie erwirkten kurz darauf beim serbischen Verfassungsgericht den Widerruf der Verordnung.

Geklüngel zwischen Alt und Neu

Zu den Kritikern gehört auch der Vorsitzende der Nicht-Regierungs-Organisation "Ausschuss für ethnische Beziehungen", Dusan Janjic. Er ist überzeugt, dass die Einschränkung der Einsicht in Geheimdienst-Akten eine abgekartete Sache der Vertretern des Milosevic-Regimes mit der neuen Regierung war. Für ihn ist klar: Viele Personen, die in Institutionen weiter arbeiten, sind mit ihrer Vergangenheit nicht im Reinen.

Viele hätten noch immer Schlüsselposten inne und übten in der Frage der Geheimdienst-Akten Einfluss auf die Politiker aus, meint Bogoljub Milosavljevic von der Organisation "Zentrum gegen den Krieg". "Die Leute, die jetzt Widerstand leisten, sind Leute aus den Reihen von Polizei, Justiz und Geheimdiensten", weiß Milosavljevic. "Denn sie wissen, dass man bei der Offenlegung der Akten erfahren würde, dass sie gegen Menschenrechte verstoßen haben und wer die Täter und Auftraggeber vieler Verbrechen waren, die während der Milosevic-Zeit begangen worden sind."

Politiker aus den Reihen der DOS haben inzwischen zugegeben, dass es gewisse Absprachen mit Milosevic-Getreuen in paramilitärischen Verbänden und der Polizei gab. Als Begründung wird genannt, dass dies zum damaligen Zeitpunkt - am 5. Oktober 2000 - die einzige Möglichkeit gewesen sei, einen Bürgerkrieg in Serbien zu verhindern.

Ein Ende im Reißwolf?

Der stellvertretende Premierminister Zarko Korac weist die Kritik an der DOS-Politik jedoch zurück: Jeder hier denke, es existiere eine Geheimakte über ihn. Derartig umfangreiche Akten habe die neue Regierung aber nach dem Machtwechsel nicht vorgefunden. Gleichzeitig räumt er aber ein, dass die neue Regierung in jenen Tagen den Geheimdienst nicht habe kontrollieren können: "Vom 5. bis 8. Oktober 2000 gab es die Möglichkeit zur Vernichtung einer großen Menge von Akten. Und das ist anscheinend auch passiert."

Marko Nicovic, der stellvertretende Leiter der Abteilung Kampf gegen Drogen bei Interpol ist überzeugt, dass selbst einige Mitglieder der DOS-Regierung früher mit dem Geheimdienst zusammengearbeitet hätten. Wenn uneingeschränkte Akten-Einsicht gewährt würde, so Nicovic, könnte das das Ende ihrer Karriere bedeuten.

Volle Einsicht in Sicht

Milosavljevics "Zentrum gegen den Krieg" hat einen Gesetzentwurf zu den Geheimdienstakten ausgearbeitet. Diesen Entwurf hat der serbische Justizminister Vladan Batic aufgegriffen und inzwischen auch dem Parlament vorgelegt. Wenn das neue Gesetz in dieser Form verabschiedet wird, kann jeder Bürger jederzeit Einsicht in die vollständigen Akten nehmen, die unter seinem Namen angelegt worden sind. Darin würden auch die Namen der Spitzel zu lesen sein.