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Seselj-Prozess in Den Haag: Verhandlung ohne Angeklagten

30. November 2006

Der serbische Nationalist Vojislav Seselj soll sich unter anderem wegen Mordes und Vertreibung vor dem UN-Tribunal in Den Haag verantworten. Zum Prozessauftakt verweigerte er sein Erscheinen vor Gericht.

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UN-Tribunal für Kriegsverbrechen im früheren Jugoslawien in Den HaagBild: dpa - Fotoreport

Wie bereits erwartet worden war, blieb Vojislav Seselj der Prozesseröffnung fern. Kurz vor Prozessbeginn hatte ein Gerichtsbeamter mitgeteilt, Seselj weigere sich zu erscheinen. Der Vorsitzende Richter Alphons Orie entzog deshalb dem 52-jährigen Angeklagten das Recht auf Selbstverteidigung und setzte den britischen Anwalt David Hooper als Pflichtverteidiger ein. Die deutsche Staatsanwältin Hildegard Uertz-Retzlaff erläuterte die Anklage und machte Seselj verantwortlich für die Gräueltaten der von ihm gesteuerten Milizen im Bürgerkrieg Ex-Jugoslawiens zu Beginn der 90er Jahre.

Staatlich unterstützter Feldzug

Die Opfer der Seselj-Milizen waren Kroaten und Muslime, die sich von den Serben unabhängig machen wollten. Seselj habe damals mit dafür gesorgt, den Begriff "ethnische Säuberungen" in die Alltagssprache eingehen zu lassen, sagte Staatsanwältin Uertz-Retzlaff. Sie warf Seselj vor, zusammen mit anderen "das Ziel eines homogenen serbischen Staates durch einen massiven, staatlich unterstützten Feldzug in Teilen Kroatiens, Bosniens und Serbiens" verfolgt zu haben. Dazu hätten Tötungen, Verhaftungen, Deportation oder Zwangstransporte und Plünderungen gehört. "Der Angeklagte hat permanent in seinen Reden Angst und Hass verbreitet, hat Anwendung von Gewalt unterstützt mit der Begründung, dies sei erlaubt, wenn es um die Schaffung eines Groß-Serbien gehe", sagte Uertz-Retzlaff. "Wir werden die Schuld des Angeklagten beweisen", betonte Staatsanwalt Daniel Saxon.

Seselj im Hungerstreik

Vojislav Seselj lehnt seit mehr als zwei Wochen die Einnahme von Nahrung und Medikamenten ab. Inzwischen wurde er in ein Krankenhaus eingeliefert, um gegebenenfalls schneller behandelt werden zu können als im Gefängnis. Sein Zustand habe sich inzwischen verschlechtert, da er nur Wasser zu sich nehme, sagte ein Sprecher. Mit seinem Hungerstreik will Seselj unter anderem die Ablösung des britischen Anwalts David Hooper erreichen, der ihm gegen seinen Willen als Rechtsbeistand beigeordnet wurde. Seselj beharrt auf dem Recht, sich selbst zu verteidigen. Er ist ein früherer Verbündeter des verstorbenen Präsidenten Slobodan Milosevic und Vorsitzender der Radikalen Partei, die derzeit stärkste Fraktion im serbischen Parlament ist. Seselj hatte sich im Februar 2003 nach Erlass eines Haftbefehls dem Gericht freiwillig gestellt, um es nach eigenen Worten als anti-serbische Institution bloß zu stellen. Nach Verlesung der Anklage sollen ab dem 6. Dezember Beweise gegen Vojislav Seselj präsentiert werden.

Dzevad Sabljakovic, Den Haag
DW-RADIO/Bosnisch, 28.11.2006, Fokus Ost-Südost