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Generation tatkräftiger Optimisten

Mathias Bölinger13. Oktober 2015

Die Jugend von heute ist nicht mehr das, was sie mal war. Ihr fehlen nämlich Pessimismus und Perspektivlosigkeit. Deutschland darf sich auf die nächste Generation freuen, sagt die Shell-Jugendstudie.

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Jugendliche fotografieren sich vor dem Brandenburger Tor (Bild: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/W. Kumm

Für Kulturpessimisten ist das keine gegeinete Veranstaltung. Vier Wissenschaftler und eine Ministerin sitzen vor der Hauptstadtpresse und stellen die Shell-Jugendstudie 2015 vor. Alle fünf Jahre lässt der gleichnamige Ölkonzern die aktuelle Stimmungslage und Wertevorstellungen der 12- bis 25-Jährigen untersuchen. Und dieses Jahr haben die Wissenschaftler und Meinungsforscher fast nur Positives über die heranwachsende Generation zu melden. Als eine "pragmatische Generation im Aufbruch" beschreibt Mathias Albert, Politikwissenschaftler an der Universität Bielefeld die Heranwachsenden. Sie seien "hoffnungsfroh und weltoffen" - und anders als die letzte Generation interessieren sie sich wieder mehr für Politik und Gesellschaft. Vorbei die Zeiten der Null-Bock-Generationen. Vorbei sind auch die Zeiten des Rückzugs ins Private. "Es ist eine dem Geschehen in der Welt gegenüber aufgeschlossene Generation".

"Irgendwie schaffen wir das"

Dass diese Generation trotz der Tatsache, dass die Welt gerade von einer Krise in die nächste schlittert, optimistisch bleibt, ist laut Albert keine Naivität. "Die Jugendlichen ignorieren die Krisen der Welt nicht", betont Albert. Die Angst vor Terroranschlägen oder einem Krieg in Europa nehme sogar zu. Doch die Grundhaltung sei: "Irgendwie schaffen wir das."

Der Satz passt natürlich gut zur aktuellen Diskussion um die Flüchtlinge und Angela Merkels Ausspruch "Wir schaffen das". Und tatsächlich haben heute mehr Jugendliche Angst vor Fremdenfeindlichkeit als vor Zuwanderung. Das gilt für Ost und West, auch wenn die Angst vor Zuwanderung im Osten mit 37 Prozent der jungen Menschen um etwa zehn Prozentpunkte höher liegt als im Westen. Es ist auch das erste Mal, dass mehr als die Hälfte der Jugendlichen sagt, dass Deutschland genauso viele Zuwanderer wie bisher oder sogar mehr aufnehmen sollte - allerdings bezogen auf die Zeit vor dem Flüchtlingsansturm des Sommers 2015. Die Befragungen fanden im vergangenen Februar statt. Die Richtung ist aber klar: 82 Prozent der jungen Menschen halten es für wichtig, die Vielfalt in der Gesellschaft zu erhalten.

Übersetzt man die Haltung dieser Generation in die poltische Aktualität im Herbst 2015, ist es also eher eine Generation Merkel als eine Generation Seehofer. Allerdings dürften die meisten Befragten diesen Vergleich empört zurückweisen. Die junge Generation ist nämlich alles andere als zufrieden mit der politischen Klasse in Deutschland. Zwar ist das politischen System bei den jungen Menschen hoch angesehen. Das Personal dieser Demokratie hat aber keinen guten Ruf. Dem Satz "Politiker kümmern sich nicht darum, was die Leute denken", stimmen 69 Prozent der Jugendlichen zu.

Symbolbild Minderjährige Flüchtlinge (Bild: dpa)
Die Integrationsbereitschaft der Jugend ist hochBild: picture-alliance/dpa/B. Roessler

"Auf einem guten Weg"

Eine Vertreterin dieser Politikerklasse sitzt neben den Wissenschaftlern auf dem Podium. Trotz dieser kleinen Spitze gegen ihren Berufsstand ist es für die Familienministerin ein Wohlfühltermin. Sie genießt es sichtlich, solche frohen Botschaften zu verkünden. Gestressten Eltern, die von Sorgen um die Zukunft ihrer Kinder geplagt sind, rät sie, "sich auch mal entspannt zurückzulehnen. Denn die neue Generation ist auf einem guten Weg."

Als Familienmisterin freut sich Schwesig, dass die junge Generation Stabilität in Freundschaften und Familienverhältnissen schätzt. Und darüber, dass der Kinderwunsch in den letzten fünf Jahren zurückgegangen ist, mache sie sich keine Sorgen, sagt die Ministerin. Nur 64 Prozent der Jugendlichen wollen eigene Kinder, fünf Prozent weniger als vor fünf Jahren. Wenn die Jugendlichen in das Alter kämen, wo die Kinderfrage sich stelle, werde diese Zahl schon noch ansteigen, glaubt Schwesig. "Und bis dahin müssen wir uns eben anstrengen, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf besser gelingt."

Soziale Kluft

Man kann sich also, da sind sich Schwesig und Albert einig, darauf freuen, dass diese Generation mehr Verantwortung übernimmt und auch den Rest der Gesellschaft an ihrem tatkräftigen Optimismus teilhaben lässt. Die ganze Generation? Nein. Zehn bis 15 Prozent der jungen Menschen teilen die Zuversicht ihrer Altersgenossen nicht. Sozial schwache Jugendliche mit geringer Bildung sehen ihre Zukunft so pessimistisch wie eh und je und interessieren sich auch weniger für Gesellschaft und Politik. Ihr Anteil ist über die Jahre auch weder kleiner noch größer geworden. "Diese Kluft scheint in der Gesellschaft sehr fest zementiert", folgert Albert.