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Keine Obama-Mania

Das Interview führte Anna Kuhn-Osius21. Juli 2008

Nach seinem Besuch im Irak kommt Barack Obama nun nach Israel. Und da herrsche keine "Obama-Mania" wie in Europa, sagt Shimon Stein, ehemaliger Botschafter Israels in Berlin, im Interview mit DW-WORLD.DE

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Shimon Stein. Quelle: dpa
Shimon Stein, Israels ehemaliger Botschafter in DeutschlandBild: dpa

DW-WORLD.DE: Barack Obama kommt nach Israel. Was erwarten Sie von diesem Besuch?

Obama in Afghanistan mit Soldaten. Quelle: AP
Obama in Afghanistan: "Er steht am Anfang seines außerpolitischen Weges"Bild: AP

Shimon Stein: Obama kommt meines Wissens zum ersten Mal nach Israel. Er war gerade im Irak und in Afghanistan, er versucht, sich überall vor Ort und Stelle zu informieren. Bevor er seine Reise antrat, hat er auch zum Thema Israel Position bezogen: Es sei wichtig, Israel Sicherheit zu garantieren. Diplomatisch stehen wir mit Obama ganz am Anfang. Daher halte ich den Besuch für außerordentlich wichtig für jemanden, der im November vielleicht amerikanischer Präsident sein könnte.

Wie ist denn die Stimmung in Israel? Herrscht dort eine ähnliche „Obama-Mania“ wie in Europa?

Die vergangenen acht Jahre mit dem US-Präsidenten George W. Bush waren für die israelisch-amerikanischen Beziehungen sehr gute und erfolgreiche Jahre. Deshalb gab es in Israel auch eine große Begeisterung für Bush, als er uns im Mai besuchte. Dagegen ist Barack Obama etwas völlig Neues für uns. Hier in Israel kann ich weder aus der Presse, noch aus der Bevölkerung die Euphorie erkennen, die in Berlin und überall in Europa herrscht. Die Lage ist in Israel anders: Obama ist für uns ein unbeschriebenes Blatt. Er hat sich noch nie intensiv mit Außenpolitik befasst, geschweige denn mit dem Nahen Osten. Deshalb wollen wir diesen Besuch nutzen, ihm Israel erst einmal vorzustellen. Leider hat er nicht allzu viel Zeit für uns.

US-Präsident George Bush mit Israels Präsident Ehud Olmert. Quelle: AP
Gute Freunde: US-Präsident George W. Bush ist bei Israels Präsident Ehud Olmert beliebtBild: AP

Könnte sich denn die Nahostpolitik der USA ändern, wenn Barack Obama Präsident werden sollte?

Ob sich etwas verändern wird, zeigt sich erst nach der Wahl. Denn dann werden die Zwänge seines Amtes dominieren, die jenseits von Erklärungen liegen, die vielleicht vor der Wahl abgegeben wurden. Und die Zwänge in der Region für die Amerikaner sind ganz klar: Afghanistan, die weitere Bekämpfung El-Kaidas, die Lage im Irak. Und darüber hinaus schwelt in der Region die überaus große Problematik des iranischen Strebens nach nuklearen Waffen. Das ist eine der größten, wenn nicht die größte Herausforderung, mit der sich Obama, sollte er Präsident werden, befassen muss. Was dann von den jetztigen Positionen Obamas bleibt, wird man sehen. Aber auch mit Obama werden wir, sollte er Präsident werden, die israelisch-amerikanischen Beziehungen weiter aufwerten und fortsetzen. Wir wollen hoffen, dass der nächste Präsident in der Kontinuität seiner Vorgänger steht - und eben nicht in einem Wechsel.

Obama-Fans auf einer Wahlveranstaltung. Quelle: AP
"Change", also Wechsel, ist das Motto Obamas. In Israel will man das gerade nicht, sondern hofft auf Kontinuität in den BeziehungenBild: AP

Obama hat in letzter Zeit bei seiner angekündigten Israel-Politik einige Verwirrung verursacht: Erst äußerten mehrere Experten die Vermutung, die Nahost-Politik unter einem Präsidenten Obama könnte nicht mehr ausschließlich "Pro-Israel" sein. Dann gab es kürzlich den Auftritt Obamas auf der Jahrestagung der pro-israelischen Lobbyorganisation AIPAC, wo er ganz deutlich machte, dass er Israel unterstützen will und ein ungeteiltes Jerusalem forderte. Das stieß nicht nur in Israel, sondern vor allem bei den jüdischen US-amerikanischen Wählern auf große Zustimmung. Wie bewerten Sie die Äußerungen Obamas?

Obama steht gerade erst am Anfang seines außenpolitischen Weges. Man muss deshalb mit vorschnellen Äußerungen auf der Hut sein. Ich kann mich an unzählige Erklärungen erinnern, die versicherten, Jerusalem werde nicht geteilt. Um Wähler zu mobilisieren, gibt man viele Erklärungen ab, ich verstehe das. Am Ende wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Wir werden sehen, wer Präsident wird und welche Politik er am Tag danach gestaltet. Wenn die Amerikaner uns helfen könnten, endlich den Konflikt in Israel beizulegen, dann werden wir uns darüber freuen.

Hat der Präsidentschaftskandidat der Republikaner, John McCain, in Israel die besseren Startchancen?

Klar ist, dass John McCain wesentlich mehr Erfahrungen in der Außenpolitik hat als Obama. In den vergangenen acht Jahren habe ich McCain jedes Jahr auf der Sicherheitskonferenz in München getroffen. McCains Positionen und Erfahrungen in der Außen- und Sicherheitspolitik sind bekannt. Es bleibt abzuwarten, für wen sich die Amerikaner entscheiden werden. Aber es steht fest: Bei McCain sprechen wir von jemandem, der unsere Probleme kennt und dafür viele Jahre unterwegs war.

John McCain. Quelle: AP
Wäre John McCain in der Außenpolitik der bessere Präsident?Bild: AP

Könnte der Israel-Palästina-Konflikt angesichts der drängenden Probleme von Iran, Irak und Afghanistan unter einem neuen Präsidenten in den USA in Zukunft zu wenig Beachtung finden?

Dieser Konflikt steht immer auf der Tagesordnung, wenn auch nicht immer an erster Stelle. Der ehemalige US-Präsident Bill Clinton ist leider zu spät in die Vermittlung eingestiegen. US-Präsident George W. Bush wollte am Anfang auch nichts damit zu tun haben, seine Vision von der Zweistaatenlösung kam mit der so genannten Road Map erst wirklich spät. Aber das Kernproblem liegt in Israel: Momentan sind wir einfach nicht reif für einen Frieden.

Israelische Panza nahe Gaza. Quelle: AP
Israelische Panzer nahe des Gaza-Streifen. Der Konflikt zwischen Israel und Palästina bleibt auch für einen neuen US-Präsidenten auf der AgendaBild: AP

Beim Nahost-Treffen im amerikanischen Annapolis war ein baldiges Friedensabkommen angekündigt worden. Kann George W. Bush noch etwas im Friedensprozess bewegen?

Ich halte die Aussicht für sehr gering. Das palästinensische Lager ist geteilt, Präsident Mahmud Abbas ist zu schwach. Selbst wenn die Palästinenser etwas unterschreiben, ist es unklar, ob sie in der Lage sind, das dann auch in die Tat umzusetzen. Ich bezweifele das momentan. Hamas und Abbas sprechen nicht miteinander, wir sprechen auch nicht mit der Hamas. Israel hat auf der palästinischen Seite einfach niemanden, der glaubwürdig ist und fähig, Beschlüsse in die Tat umzusetzen. Und auch in Israel sieht es innenpolitisch schwierig aus. So eine Lage ist keine Basis für grundsätzliche Entscheidungen. Die momentane Lage ist einfach auf beiden Seiten nicht geeignet für ein Abkommen.

Shimon Stein (geboren 1948) ist ein israelischer Diplomat. Er war von 2001 bis 2007 Botschafter Israels in Deutschland. Zuvor war er unter anderem stellvertretender Staatssekretär in Jerusalem und Abteilungsdirektor im Außenministerium des Staates Israel. Bereits von 1980 bis 1985 arbeitete er erstmals in Deutschland, als Botschaftsrat für politische Angelegenheiten der israelischen Botschaft.