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Showdown im Mekong

Udo Bauer23. August 2004

Jetzt rächt sich, dass John Kerry im Wahlkampf seine Soldatenzeit in Vietnam so in den Vordergrund gestellt hat. Viele Veteranen stellen sich gegen ihren ehemaligen Kampfgefährten.

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Udo Bauer

Im Jahre 1971 tickte Amerika anders als heute - völlig anders. Heute unterstützen die meisten Amerikaner (noch) den Krieg ihres Landes in Irak, damals war die Stimmung gegenüber dem Vietnamkrieg schon umgekippt. 44.000 GIs waren zu diesem Zeitpunkt schon gefallen, US-Medien berichteten über die Aussichtslosigkeit des Krieges und über Massaker amerikanischer Truppen an der vietnamesischen Zivilbevölkerung, wie zum Beispiel im Dorf Mi Lai.

In dieser Gemengelage ergriff ein Mann wie John Kerry seine Chance. Er hatte gedient in Vietnam, insgesamt vier Monate, er war hoch dekoriert mit zwei Tapferkeitsorden und drei "Purple Hearts" für erlittene Kriegsverletzungen. Er war kampferfahren, er war dabei, ein Kriegsheld. Kerry war aber trotz seiner Wut immer noch irgendwie "mainstream" geblieben, nicht zerbrochen und traumatisiert wie viele andere Soldaten. Er war intellektuell und eloquent, und so machte er sich zum Sprachrohr für die vielen frustrierten Vietnamveteranen, die nach ihrer Rückkehr aus den Killing Fields von ihren Landsleuten auf der Straße angespuckt und von Hippies als Babymörder beschimpft wurden.

Kriegsheld oder Nestbeschmutzer?

Er wurde der Kopf der Antikriegsbewegung der Veteranen, und als solches wurde er eingeladen zu einer Stellungnahme vor dem Auswärtigen Ausschuss des US-Senats. Kerry sprach deutliche Worte damals, sprach von durchgeknallten US-Soldaten, die vergewaltigen, brandschatzen und Zivilisten Ohren und Köpfe abschneiden. Er sprach sich für ein Ende der US-Kriegspolitik in Südostasien aus. "Können Sie einem Soldaten ins Gesicht sagen, dass er der Letzte ist, der Vietnam sterben muss?", so fragte er die offensichtlich beeindruckten Senatoren.

Vielen Vietnamveteranen sprach er damals aus dem Herzen, er war einer der Ihren. Viele aber hassten ihn für seinen Auftritt vor dem Komitee. Sie hegten den Verdacht, dass da einer seine politische Karriere auf dem Rücken von Soldaten vorbereitet, die immer noch im Dschungel ums Überleben kämpften. Kerry galt ihnen sozusagen als Anführer einer fünften Kolonne. Mit seinen teilweise pauschalen Äußerungen über US-Kriegsverbrechen, die der Kandidat mittlerweile selbst als "zu exzessiv" bezeichnet, hatte er den Stolz von Ex-Kameraden verletzt, die sauber geblieben sind in diesem schmutzigen Krieg. Es ist wie mit der Wehrmachtsausstellung in Deutschland. Gegen die hatten sich viele deutsche Veteranen gewehrt mit dem Argument, dass sie pauschal alle Wehrmachtsangehörigen zu Kriegsverbrechern erkläre.

Heldentum als Leitmotiv

Kerry hatte sich als junger Offizier freiwillig nach Vietnam gemeldet. Er hatte sich nicht, wie die meisten Zöglinge aus wohlhabenden und einflussreichen Familien dem Kriegsdienst entzogen. Wie sein großes Vorbild John F. Kennedy im Pazifikkrieg, wurde er Skipper auf einem Swift Boat, einem kleinen Patrouillenschiff, das im Mekong-Delta und anderswo auf und ab fuhr und regelmäßig Feuer von den Ufern auf sich zog. Am 13. März 1969 hatte er trotz einer Verwundung und unter intensivem feindlichen Beschuss einen über Bord gegangenen Kameraden aus dem Fluss Bay Hap gezogen und ihm damit das Leben gerettet.

Das ist vom Pentagon amtlich verbrieft, Kerry erhielt dafür den 'Bronze Star' und sein drittes 'Purple Heart'. Und von dieser Geschichte zehrt der Präsidentschaftskandidat seit Monaten, sie ist sogar zum Leitmotiv seiner gesamten Kampagne avanciert. Kerry will sich damit qualifizieren als zupackender 'Commander in Chief' in einer Zeit, in der sich Amerika im Krieg wähnt gegen Terroristen. Nebenbei setzt er sich damit ab von George Bush, der in der Vietnamzeit einen eher lockeren Dienst schob in der texanischen Nationalgarde.

Verlust der Coolness

Deshalb sind viele Vietnamveteranen Dauergäste bei Kerrys Wahlkampfveranstaltungen. Und so konnte John Kerry tatsächlich in der Gunst der Ex-Soldaten mit George Bush gleichziehen. Bis vor einiger Zeit eine Veteranengruppe öffentlich Stimmung gegen den demokratischen Senator machten. Die 'Swift Boat Veterans for Truth', kurz SBVT, schalten Fernsehspots, in denen sie Kerrys Kriegsgeschichten schlichtweg als Lügen darstellen. Er sei eigentlich ein Feigling, seine Orden seien unverdient und seine Verletzungen nichts als Kratzer oder selbst verursacht, um schnell nach hause geschickt zu werden, heißt es sinngemäß. Und neuerdings wettern sie gegen Kerrys Aussagen von 1971 über Kriegsverbrechen in Vietnam. Mit Erfolg. Aus dem Gleichstand zu seinem Kontrahenten Bush ist innerhalb einer Woche ein Rückstand von 18 Prozentpunkten geworden. Umfragen zufolge glaubt mittlerweile jeder fünfte Amerikaner (61 Prozent der Republikaner) nicht, dass Kerry seine Kriegsorden verdient hat.

Das Kerry-Lager legte jetzt formal Beschwerde gegen die Fernsehspots ein bei der Bundeswahlbehörde FEC. Die SBVT-Hetzkampagne sei nach den Wahlkampfgesetzen illegal, so das Argument, weil sie mit der Bush-Kampagne offenbar koordiniert sei . Die Bushmänner und die Veteranen stellen das natürlich in Abrede. Kerry verliere wohl allmählich sein Coolness, hieß es vom Sprecher des Weißen Hauses, Scott McClellan. Nach einem Zeitungsbericht der New York Times aber gibt es tatsächlich "ein Netzwerk an Verbindungen" zwischen den SBVT auf der einen und der Bush-Familie, einem texanischen Millionär und Präsidentenberater Karl Rove auf der anderen Seite. Mit anderen Worten: Hier tummeln sich die üblichen Verdächtigen und tun die dreckige Arbeit für den Präsidenten. Die Times-Recherchen sind bislang unwidersprochen. Trotzdem bleiben Kerrys Zustimmungsraten weiter auf niedrigem Niveau, als hätten sich die Amerikaner schon abgefunden mit der Texas-Connection, die immer wieder um Einfluss ringt im politischen Amerika. Zwei Leute sitzen unterdessen im Weißen Haus und lachen sich ins Fäustchen. George Bush, der Held der texanischen Nationalgarde, und Richard Cheney, der nach eigenem Bekunden zur Vietnamzeit "andere Prioritäten hatte" als Soldat zu werden.