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Showndown in der Eurokrise

Zhang Danhong20. August 2012

Mit der scheinbaren Ruhe in der Eurozone ist es vorbei. Die gewohnten Hiobsbotschaften sind wieder da. Doch keine Panik: Die Europäische Zentralbank bereitet schwere Geschütze vor - Super Mario wird es richten.

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Mario Draghi (Foto: dapd)
Mario DraghiBild: dapd

Die Regierung in Athen hat sich wieder mal verrechnet. Ihr fehlen nicht wie angenommen 11,5 Milliarden Euro in den kommenden zwei Jahren, sondern 14 Milliarden. Das klingt nicht viel im Vergleich zu den 240 Milliarden aus zwei Rettungspaketen und den 100 Milliarden, um die der Schuldenschnitt die Griechen entlastet hat. Doch die Retter sind müde. Ein drittes Rettungspaket für Griechenland ist den Bürgern in Deutschland, den Niederlanden, Österreich und Finnland schwer zu vermitteln. Deshalb wird diskutiert, dass die Geberländer den Griechen anderweitig entgegenkommen: Zinsen für die Hilfskredite senken oder ganz stunden.

Auch ein anderer Krisenherd brodelt heftig: Spanien könnte bald ganz unter den Rettungsschirm schlüpfen. Ein neuer Hilfsantrag scheine "unausweichlich", räumte mit der Bürgermeisterin von Madrid, Ana Botella, zum ersten Mal eine Top-Politikerin des Landes ein. Investoren kehren der viertgrößten Volkswirtschaft der Eurozone scharenweise den Rücken. Im zweiten Quartal wurde so viel Kapital abgezogen wie seit 20 Jahren nicht mehr. Ein anderes Zeichen für das Misstrauen der Finanzmärkte ist die hohe Rendite, die sie dem spanischen Staat für seine langjährigen Anleihen abverlangen. Für zehnjährige Schuldscheine verharrt das Zinsniveau bei rund sieben Prozent. Solch eine Last kann kaum ein Land auf Dauer tragen. Der spanische Wirtschaftsminister Luis de Guindos fordert daher die Europäische Zentralbank auf, unbegrenzt spanische Anleihen aufzukaufen. Nur so könne der Zinsdruck nachhaltig abgeschwächt werden.

EZB wird zum "last lender of resort"

Vor einem Monat hätten noch alle den Kopf geschüttelt: Spinnt der Mann? Das wäre doch eine offene Staatsfinanzierung durch die EZB - eine rote Linie, die nicht überschritten werden darf. Doch seit EZB-Präsident Mario Draghi Ende Juli versicherte, alles zu tun, um den Euro zu retten, wird auf einmal das Undenkbare denkbar. Dass der Italiener noch augenzwinkernd ergänzte: "Glauben Sie mir, es wird ausreichen", wird als sicheres Indiz wahrgenommen, dass die Zentralbank etwas ganz Großes plant. Etwas, das das bisherige eher mickerige Anleihekaufprogramm von rund 210 Milliarden und die zwei Geldspritzen von einer Billion Euro weit in den Schatten stellen wird.

Das Euro-Logo vor der Zentrale der EZB (Foto: AP)
Alle hoffen auf die EZBBild: dapd

Nun gewinnt dieses "Etwas" an Konturen. Wie das Nachrichtenmagazin "Spiegel" berichtet, erwägen die Währungshüter, für jedes Land individuelle Zinsschwellen festzulegen. Werden diese Schwellen überschritten, kauft die Zentralbank Anleihen des betroffenen Landes in unbegrenzter Höhe. Ob Bazookas oder "Dicke Bertha", die EZB wird alle abschreckenden Waffen in die Hand nehmen und Spekulanten den Kampf ansagen. Den Kampf um die Gemeinschaftswährung wird sie gewinnen, denn schließlich kann sie unendlich Euroscheine drucken. Die EZB, die die Spekulation zuerst nicht kommentieren wollte, hat inzwischen reagiert. "Es ist absolut irreführend, über Entscheidungen zu berichten, die noch nicht beschlossen wurden", erklärte ein Sprecher am Montag (20.08.2012).

Doch die Finanzmärkte vertrauen auf die Zentralbank. Seit Tagen schnellen die Aktienkurse in Europa nach oben, obwohl die meisten Länder in der Rezession stecken und die Unternehmensgewinne dahin schmelzen. Das ist der Nährboden für die nächste Blase.

"Italienische Währungsunion"

Eines haben die Aktienblase und die sich abzeichnende Rettungspolitik der EZB gemeinsam - beides ist nicht nachhaltig. Denn mit Anleihenkäufen in großem Stil nimmt die Zentralbank den verschuldeten Ländern an der Peripherie nicht nur den Zinsdruck, sondern auch den Reformdruck. Das wird noch mehr Rettung nötig machen. Die Notenpresse der EZB wird nicht mehr zur Ruhe kommen. Zwar wird das Auseinanderbrechen der Eurozone verhindert, doch sei auf mittlere Sicht eine höhere Inflation im Kern der Währungsunion nicht zu vermeiden, meint Jörg Krämer, Chefökonom der Commerzbank. Zudem "dürften die auf die Nöte der Peripherieländer ausgerichtete EZB sowie die Reformmüdigkeit der Peripherieländer den Euro gegenüber den meisten anderen Währungen über Jahre hinweg deutlich abwerten lassen", schreibt Krämer in einer Analyse. Hohe Inflation, schwache Währung, das erinnere an Italien der 1970er und 80er Jahre. Deshalb sagt der Ökonom für die Eurozone eine "italienische Währungsunion" voraus.

Jörg Krämer, Chefvolkswirt Commerzbank (Foto: Commerzbank AG)
Jörg Krämer, Chefvolkswirt CommerzbankBild: Commerzbank AG

Fazit: Kurzfristig wird "Super Mario" die Finanzmärkte, die Südländer und auch die Politik beglücken. Langfristig kehren die Peripherieländer in den vertrauten Zustand aus der Zeit vor der Währungsunion zurück. Den Preis für den Erhalt der Eurozone zahlen letztendlich die Menschen in den Kernländern. Da aber die Folgen erst nach einiger Zeit spürbar werden, hoffen die Politiker, dass sich die Bürger schon mit dem schleichenden Prozess abfinden werden.