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Sicheres Zuhause für verfolgte Journalisten

Kathrin Erdmann3. Mai 2005

Am Tag der Pressefreiheit (3.5.) zieht "Reporter ohne Grenzen" eine düstere Bilanz für 2004: 53 Journalisten wurden getötet, mehr als 100 während ihrer Arbeit inhaftiert. Hoffnung gibt ein Zufluchtsort in Paris.

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Pressefreiheit - in vielen Ländern ein FremdwortBild: AP

Ein schlichter sandsteinfarbener Bau im Südwesten der französischen Hauptstadt. Kein Klingelschild hängt an der Tür. Nur die Hausnummer verrät: Hier ist das "Maison des Journalistes" (Haus der Journalisten), die 15 verfolgten Journalisten auf 850 Quadratmetern für ein halbes Jahr Zuflucht gewährt. Hier können sie zur Ruhe kommen, Ereignisse verarbeiten und Kraft schöpfen. Fast die Hälfte von ihnen kommt aus Afrika, auch der 30-jährige Daouda.

Gefängnis, wenn das Thema zu heikel ist

Er stammt aus der Islamischen Republik Mauretanien. Über seine eine Hand zieht sich eine lange Narbe, die andere weist schwere Verbrennungen auf. Mehrmals saß Daouda im Gefängnis. Folgen unerwünschter Berichterstattung für ein pädagogisches Magazin, für das er über viele Themen schrieb - vor allem aber über Pädophilie. "Das hat einigen nicht gefallen", sagt Daouda. "Ein Marabut - das ist bei uns ein hoher Geistlicher - fühlte sich dadurch angegriffen." Auch Daoudas Chefredakteur musste ins Gefängnis.

Verdrehte Wirklichkeit

Nach Recherchen Daoudas hatte sich der Geistliche an einem achtjährigen Mädchen vergangen. Statt diesen zur Rechenschaft zu ziehen, wurde dem Journalisten vorgeworfen, den Namen eines ehrbaren Mannes beschmutzt zu haben. Für Daouda völlig unverständlich und gleichzeitig eine Beleidigung aller aufrechten Muslime. Doch Pressefreiheit ist in Mauretanien vielerorts noch ein Fremdwort. In dem neuen Ranking der Organisation Reporter ohne Grenzen rangiert das Land von insgesamt 167 Staaten auf Platz 138.

Kritik verboten

Etwas besser steht nach dieser Liste Senegal mit Platz 80 da. Allzu kritische Berichterstattung sollten Journalisten dennoch vermeiden. Das zeigt der Fall von Abdoulaye, der seinen richtigen Namen nicht nennen wollte. Für verschiedene Medien berichtete er über die Unabhängigkeitsbestrebungen des Südens. Die senegalesische Regierung warf ihm daraufhin Unterstützung der Rebellen vor: Er erhielt Drohbriefe, anonyme Anrufe. Manchmal gaben die Anrufer auch vor, wichtige Informationen für ihn zu haben und bestellten ihn zur Übergabe zu einem bestimmten Treffpunkt. "Ich bin nie hingegangen", sagt Abdoulaye.

Neues Leben, neue Probleme

Anders als Kollegen ist Abdoulaye nie Opfer von Übergriffen geworden. "Vielleicht weil ich schnell genug aus Senegal geflohen bin", sagt der 32-Jährige. An sein neues Leben in Paris gewöhnte er sich nur langsam. So verstand er anfangs nicht, warum ihn auf der Straße niemand zurück grüßte, wenn er freundlich "bonjour" sagte. Doch nicht nur mit Kulturunterschieden kämpfen einige der Journalisten. Philippes Spinau, Direktor des Hauses der Journalisten, kennt viele, die früher Chefredakteure waren, ein angenehmes Leben führten und respektiert wurden. "Hier in Frankreich sind sie plötzlich allein", sagt Spinau, "es interessiert niemanden ob sie da sind oder nicht. Hier sind sie ein Nichts, und das ist nicht einfach zu begreifen." Und sei auch ungerecht, denn diese Menschen hätten immerhin viele Risiken auf sich genommen, um andere zu informieren.

Hilfe - aber kein neuer Job

Aus diesen Gründen habe man vor drei Jahren das Haus der Journalisten gegründet. Finanziert durch die EU und französische Medien. Neben freier Unterkunft erhalten die Journalisten sechs Monate lang eine Monats- und Telefonkarte, einen täglichen Gutschein für den Supermarkt im Wert von 8,50 Euro und rund 200 Euro Sozialhilfe. Arbeiten dürfen die Journalisten erst, wenn der Asylantrag bewilligt wurde. Doch kaum einer kann wieder in seinen alten Beruf zurückkehren. "Die französische Medienwelt ist viel zu geschlossen", sagt Spinau.

Aus Erfahrungen lernen

Eine Erfahrung, die Léon aus der Demokratischen Republik Kongo bereits gemacht hat. Vor vier Monaten verließ er die Maison. Nun bemüht er sich um eine Festanstellung als Journalist und arbeitet bis dahin freiberuflich als Korrespondent für die Medien in seiner Heimat. Das meiste Geld verdient der mehrfach ausgezeichnete Journalist jedoch anderswo: als Verkäufer in einer Buchhandlung. Doch er lebt. Und so soll in Berlin bald ein weiteres Haus verfolgten Journalisten Sicherheit geben. Die EU hat die Gelder bereits bewilligt, jetzt fehlt nur noch die Unterstützung der Medien.