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Sicherheit Marke Ashcroft

Udo Bauer29. Juli 2002

Der 11.9.2001 hat die USA mehr verändert, als manchem Amerikaner lieb ist. Aus Angst vor mehr Terror hat die Regierung bürgerliche Freiheiten eingeschränkt, ohne dass sich jemand groß darüber aufgeregt hat. Bis jetzt ...

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Die neueste Sicherheits-Idee aus dem Hause von Justizminister John Ashcroft sorgt für Unruhe - nicht nur bei Linksliberalen. "Operation TIPS" soll laut John Ashcroft dabei helfen, dass Hinweise aus der Bevölkerung über verdächtige Personen oder Vorgänge an die zuständigen Sicherheitsbehörden weitergeleitet werden.

So jedenfalls hatte er das Antiterror-Info-System vergangene Woche kritischen Senatoren verkaufen wollen. Was ihm in Wahrheit vorschwebt, ist ein Netzwerk von Millionen amerikanischer Zivilisten, die dem Staat und seinen Behoerden bei der Terror-Prophylaxe zuarbeiten, flächendeckend.

Unerwartet bläst dem Bush-Minister jetzt der Wind ins Gesicht. Bürgerrechtsadvokaten und Konservative ziehen dabei an einem Strang. So warnte der republikanische Senator und bekennende Mormone Orrin Hatch in der Ashcroft-Anhörung vor einer "orwellschen Situation, in der Bürger ihre Nachbarn ausspionieren."

Nein, darum gehe es ja gar nicht, so Ashcroft, eher darum, dass "Millionen Amerikaner an ihrem Arbeitsplatz in der einzigartigen Situation sind, ungewöhnliche oder verdächtige Aktivitäten wahrzunehmen.

"Als deutschem Beobachter fällt einem da natürlich sofort der Staatssicherheitsdienst der DDR ein, der den Großteil seines Honigs aus eben diesen Quellen saugen konnte.

Welche Atmosphäre dieses Beobachten und Beobachtetwerden in einer Gesellschaft
produziert, sollte sich Mister Ashcroft mal von einem Ostdeutschen erzählen lassen.

Ist John Ashcroft also im Umkehrschluss so paranoid wie Erich Honecker? Auf jeden Fall sieht er sich genauso umzingelt von Staatsfeinden wie der frühere SED-Chef. Das hat er selbst klargemacht, indem er sagte, dass "sich eine substanzielle Anzahl von Individuen in diesem Land aufhalten, die das Gedankengut von Al-Kaida teilen," und zwar überall, auch da, "wo man sie am wenigsten vermutet."

Ob diese "Individuen" auch tatsächlich gefährlich sind, ist dabei erst einmal zweitrangig fuer Ashcroft, und das hat durchaus Methode.

Amerika ist seit dem 11. September hin- und hergerissen. Einerseits sehnen sich die Bürger nach Normalität, andererseits predigen Politiker wie John Ashcroft, man sei im Krieg, und Krieg sei eine ungewöhnliche Situation, die ungewöhnliche Massnahmen erfordere. So werden mittlerweile viele öffentlichen Plätze in Metropolen mit Videokameras überwacht, Verdächtige (meist Moslems!) werden ohne Anklage, Richter und Anwalt monatelang interniert und, und, und.

Will Amerika seinen internationalen Ruf als Hort der individuellen Freiheit behalten, einen Ruf, auf den das Land zu Recht stolz sein kann, dann müssen die Amerikaner diesen Mann stoppen. Ein erster Schritt ist getan, und zwar ausgerechnet von denselben rechtskonservativen Politikern, die John Ashcroft dereinst ins Amt befördert haben. Von seinem ursprünglichen Vorhaben, alle Tipps aus dem Volk in einem Zentralcomputer zu speichern, musste Ashcroft mittlerweile Abstand nehmen.