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Labor der Begegnungen

Matthias von Hein12. Februar 2016

Die Versuchsanordnung ist genial: Sperre 600 Entscheidungsträger drei Tage in ein Luxushotel und gib ihnen Gelegenheit zu informellen Treffen. Manchmal kommt dann ja doch Bewegung in die Krisen der Welt.

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Mohammad Javad Zarif Frank-Walter Steinmeier Sicherheitskonferenz München Bayern Deutschland
Bild: MSC/Kleinschmidt

Die Münchner Sicherheitskonferenz wartet mit Superlativen auf. Nicht nur was die Zahl der Besucher angeht – mehr denn je – oder die Zahl der Staatschefs: rund 30. Auch inhaltlich werden große Maßstäbe angelegt: Von der "gefährlichsten Weltlage seit dem Ende des Kalten Krieges" sprach in ihrer Eröffnungsrede die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Den Krieg in Syrien, den Terror des IS nannte sie als größte Bedrohung. Die Herausforderung durch die Flüchtlingskrise bezeichnete von der Leyen als epochal. "In einer solchen Situation muss die Welt ihre Kräfte bündeln. Stattdessen saugt die Rivalität der Groß- und Regionalmächte zu viel Kraft", beklagte die Verteidigungsministerin.

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Der Bayerische Hof: hier treffen sich Entscheidungsträger aus aller WeltBild: DW/A. Feilcke

Schon der Titel der Konferenz lässt wenig Raum für Optimismus: "Grenzenlose Krisen, Rücksichtslose Störer, Hilflose Beschützer". Und doch: Die Münchner Sicherheitskonferenz wäre nicht das weltweit wohl wichtigste Treffen zur Sicherheits- und Außenpolitik, wenn in diesem Labor der Begegnungen nicht auch etwas bewegt würde. So wie am Vorabend der Konferenz die Syrien-Kontaktgruppe mit ihrem Vorschlag eines Waffenstillstands binnen einer Woche. Auch wenn die Äußerungen des syrischen Staatschefs Baschar al-Assad in Damaskus, er wolle ganz Syrien zurückerobern, dem Optimismus in München einen deutlichen Dämpfer verpassten. In den Bereich vorsichtiger Annäherung gehört auch das vertrauliche Treffen zwischen NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg mit dem russischen Außenminister Sergei Lawrow. Einem anschließenden, sehr vorsichtigen Statement Stoltenbergs ließ sich entnehmen, dass beide Seiten ungeachtet ihrer Differenzen einen Gesprächskanal etablieren wollen. Dazu soll der NATO-Russland Rat aktiviert werden.

Leidenschaft bei Zarif

Zu den vielleicht emotionalsten Momenten des Tages gehört der leidenschaftliche Appell des iranischen Außenministers Javad Zarif an den regionalen Rivalen Saudi-Arabien, Wege der Zusammenarbeit zu suchen. Selbst in Syrien identifizierte Zarif gemeinsame Interessen: Die Schaffung eines neuen, friedlichen, multiethnischen und religiös diversen Syriens. Saudi-Arabien und Iran könnten sich nicht gegenseitig aus der Region ausschließen, so Zarif. Ein Paradigmenwechsel sei nötig: Weg vom Denken in Null-Summen-Kategorien hin zum Win-Win-Konzept. Dieser Weg erst habe auch den Iran-Atom-Deal ermöglicht. Man möchte dem iranischen Außenminister gerne glauben. Allerdings gibt es im Iran mehrere Machtzentren. Und mächtige Kräfte haben an Aussöhnung und Annäherung deutlich weniger Interesse als Zarif oder auch sein Präsident Hassan Rohani.

Eine gute Stunde vor Zarif hatte der saudische Außenminister Achmed Al-Jubeir auf dem gleichen Podium gesprochen. Al-Jubeir beklagte sich über das negative Image seines Landes und stellte Saudi-Arabien als Land mit großem Potenzial dar. Er machte unmissverständlich den Anspruch Riads deutlich, regionale Vormacht zu sein. Al-Jubeir verteidigte den Einsatz saudischer Truppen im Jemen. Und er machte Baschar al-Assad nicht nur für den Tod von 300.000 Menschen verantwortlich, sondern auch für den Aufstieg des IS. Eine Zukunft für Syrien mit Assad kommt für Saudi-Arabien nicht in Frage. Den IS bezeichnete Al-Jubeir als Terrororganisation von Psychopathen ohne Religion. Auf Nachfragen aus dem Publikum hin versuchte Al-Jubeir größtmögliche Distanz zwischen den Islam des IS und den Islam saudischer Auslegung zu bringen. Die mangelnden Rechte von Frauen in Saudi-Arabien erklärte er mit gesellschaftlichen Traditionen. Mit Religion habe das nichts zu tun. Dabei verwies Al-Jubeir auf eine interessante Zahl: 55 Prozent aller Hochschul-Absolventen in Saudi-Arabien seien Frauen.

Neues Selbstbewusstsein

Aus der Region war auch der irakische Präsident Haider al-Abadi angereist. Abadi zeigte sich überzeugt, den IS bis Ende des Jahres aus dem Irak vertrieben zu haben. Er verwies auf jüngste militärische Erfolge wie die Befreiung von Ramadi, von Tikrit oder der Provinz Anbar. Die Streitkräfte hätten neues Selbstbewusstsein gewonnen. Als nächstes würde die Befreiung von Mosul vorbereitet. Abadi warb um Investitionen für sein Land. Die Sicherheitslage sei gut und in Bagdad gebe es mittlerweile wieder ein blühendes Nachtleben, so der irakische Premier. Die Türkei wiederum kritisierte Abadi heftig. Türkische Kampfverbände seien gegen den Willen Bagdads rund 100 Kilometer tief auf irakisches Gebiet vorgedrungen. Das sei nicht die "Hilfe", die der Irak wünsche, so Abadi. Und auch das ist München: Während Abadi auf dem Podium saß, traf der Führer der irakischen Kurden, Massud Barsani, mit verschiedenen Gesprächspartnern zusammen. Barsani strebt die Unabhängigkeit des Kurdengebiets an.