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"Sie diktieren den Inhalt"

14. Januar 2004

- Deutsche Verlage beherrschen immer mehr den polnischen Zeitungsmarkt

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Warschau, TYGODNIK SOLIDARNOSC, poln., Nr. 3/2004, Krzysztof Swiatek

Eine riesige Zahl regionaler Tageszeitungen im Lande ist bereits in deutscher Hand. Die zehn größten gehören der Verlagsgruppe Passau. Sie werden von 30 Prozent der Polen gelesen. Und nahezu der gesamte Illustrierten-Markt ist Eigentum des Bauer-Verlags, des Axel Springer Konzerns sowie von Gruner+Jahr. Der deutsche Eigentümer des Dziennik Baltycki übte direkten Einfluss auf den Inhalt der Artikel dieser Zeitung aus.

In der Ausgabe unserer Zeitung vom 5. Dezember berichteten wir darüber, wie die Verlagsgruppe Passau vor kurzem Slowo Polskie und Wieczor Wroclawia übernommen und damit praktisch das Monopol in Niederschlesien an sich gerissen hat. Die genannten Zeitungen mit langjähriger Tradition wurden geschlossen. Die drei in Breslau erscheinenden Tageszeitungen wurden durch eine ersetzt.

Die deutschen Eigentümer diktieren den Inhalt

Die deutsche Oberherrschaft auf dem regionalen Zeitungsmarkt und das Zusammenlegen von Zeitungen betrifft aber nicht nur Niederschlesien. Die Verlagsgruppe Passau übernimmt die polnische Presse über die Verlagsgruppe Polskapresse, die zur ersteren gehört. Die Verlagsgruppe ist eine Täuschung, denn sie suggeriert, dass wir es mit einem polnischen Herausgeber zu tun haben. Polskapresse wurde 1991 gegründet und besitzt zur Zeit zehn der beliebtesten lokalen Tageszeitungen in Polen. Ein deutscher Herausgeber verhielt sich in Gdingen, Zoppot und Danzig im Jahre 2002 genauso wie in Breslau. Zuerst übernahm er die zwei größten Zeitungen in Pommern: Dziennik Baltycki und Wieczor Wybrzeza. Dann "fusionierte" er sie, indem er eine schloss. Zurzeit erscheint nur der Dziennik Baltycki, nach wie vor die größte und beliebteste Zeitung in Pommern. (...). Der ehemalige Chefredakteur des Dziennik Baltycki Jan Jakubowski berichtete vor kurzem darüber, wie der deutsche Herausgeber die Redaktion zwang, "eine apolitische Zeitung zu machen". "Aus einer meinungsbildenden Zeitung ist eine Art ambitionsloses Comic-Heft geworden, das gefüllt ist mit unreflektierten Informationen (...). Für den deutschen Eigentümer so heikle Themen wie Zentrum gegen Vertreibungen nach den Vorstellungen von Erika Steinbach sowie Entschädigungsforderungen deutscher Aussiedler sind in der Tageszeitung zurzeit nicht zu finden. Den Leser des Dziennik Baltycki sollten diese Dinge nicht interessieren, obwohl sie in erster Linie unsere Region betreffen", schrieb Jan Jakubowski in der November-Ausgabe von Wprost.

Das ist ein sehr bezeichnendes und unheilverkündendes Signal. Der Zusammenschluss der größten Zeitungen, der immer mehr zum Firmenzeichen der Gruppe Polskapresse wird, ist für den deutschen Herausgeber mit Sicherheit von Vorteil. Er macht es nämlich möglich, bei maximaler Kostensenkung Monopolist beziehungsweise Hauptmultiplikator sowohl im Informations- als auch im Werbebereich zu bleiben. Das ist in beiden Fällen gefährlich. Das Monopol auf die Verbreitung von Nachrichten und Meinungen hat zur Folge, dass die Leser in Gdingen, Zoppot und Danzig oder in Niederschlesien keine Möglichkeit haben, die Meldungen über die eigene Region mit Artikeln in der übrigen Presse zu vergleichen. Und das Werbemonopol macht es möglich, die Preise für die Annoncen zu diktieren. Die Konkurrenz kann sie nicht verifizieren, denn es gibt keine.

Sie übernehmen und liquidieren

Es ist es wert, noch einmal darauf hinzuweisen, dass nach Polens Beitritt zur Europäischen Union jeder Bürger der Gemeinschaft in unserem Land bei den Wahlen zur Selbstverwaltung wird an den Start gehen können. Und man kann sich leicht die Situation vorstellen, in der ein deutscher Herausgeber "die einzigen und besten Kandidaten", insbesondere in so "strategischen" Gebieten wie Pommern oder Niederschlesien forciert. Natürlich brauchen bei den Wahlen des Stadtpräsidenten [Oberbürgermeisters] von Danzig oder Breslau nicht Deutsche an den Start gehen. Wichtig ist, dass es "bewährte Leute" sind. Eine "unabhängige Presse" in reiner Form gibt es nicht. Ähnlich wie den Zustand der Leere in der Physik. Das Beispiel des Dziennik Baltycki zeigt, dass die deutschen Herausgeber nicht zögern werden, eine Programmlinie für die Zeitungen in ihrem Besitz abzustecken. Polskapresse hat auch in Lodz Zeitungen zusammengelegt, wo im Jahre 2000 der Dziennik Lodzki die Wiadomosci Dnia verschlang. Dziennik Lodzki ist eine Zeitung mit langjähriger Tradition - eine der ältesten in Polen. Die erste Nummer erschien bereits im Jahre 1884. Es ist nicht auszuschleißen, dass die Verlagsgruppe Passau in Lodz noch einen Zusammenschluss vornimmt, denn sie ist auch Eigentümer des hiesigen Express Ilustrowany. Das ist wiederum die größte Zeitung in der Region und eine der wichtigsten lokalen Tageszeitungen in Polen. Wie man sieht, wählen die Deutschen die Titel nicht unüberlegt. In jeder Woiwodschaft greifen sie nach den größten Zeitungen, die auf Grund ihrer langjährigen Tradition viele treue Leser haben.

Polskapresse gibt auch die Gazeta Poznanska heraus. Es mag wie eine magische Formel klingen, aber auch sie hat eine Etappe von Zusammenlegungen mit anderen Zeitungen hinter sich. Im Jahre 1999 schluckte sie den Express Poznanski, der zurzeit als regionales Zusatzblatt erscheint, und im Jahre 2002 die Ziemia Kaliska. Im Süden besitzt Polskapresse auch den Dziennik Zachodni sowie die Trybuna Slaska. Beim Dziennik Zachodni handelt es sich um die größte Regionalzeitung des Landes. Sie erscheint in Oberschlesien und im westlichen Malopolska, und zu ihr gehören auch 22 Bezirks-Wochenzeitungen. Die Trybuna Slaska ist wiederum die älteste Tageszeitung in Oberschlesien. In Malopolska besitzt Polskapresse die Gazeta Krakowska.

Verdummung in Bunt

Die Verlagsgruppe Passau ist nicht der einzige deutsche Konzern, der den polnischen Medienmarkt regiert. Eine weitere Megafirma ist der Axel Springer Verlag, der das Wochenmagazin Newsweek Polska herausgibt und seit neuestem auch die Zeitung Fakt. Dieser Hyperpotentat herrscht aber vor allem auf dem Illustriertenmarkt. Ihm gehört eine riesige Anzahl von Titeln. Zu den Frauenzeitschriften gehören: Olivia, eine der beliebtesten Frauenzeitschriften, sowie die ebenso sehr beliebten Zeitschriften Na zywo, Pani Domu Poleca, Sekrety Serca, Cienie i Blaski. Außerdem gibt der Mediengigant auch die Jugendzeitschriften Popcorn und Dziewczyna heraus, die ein beängstigendes Mischmasch von Bild und Inhalt nach dem Motto Sex-Horoskop-Mode-Schönheit-Gesundheit präsentieren. Das Hauptmotiv bleibt darin nach wie vor die Propagierung der sexuellen Frühreife von Teenagern. Man braucht sich nur die letzten Ausgaben von Dziewczyna anzusehen, um zu sehen, welche Inhalte hier die wichtigsten sind: "Denken die Jungen nur an Sex?", oder "Ich bin 17 und errege bereits meinen Freund". Axel Springer ist auch Eigentümer der Autozeitschriften Auto i Swiat und Auto Sukces, von acht Computer-Zeitschriften (...).

Der dritte deutsche Potentat ist der Bauer-Verlag, Eigentümer mehrerer Dutzend Frauenzeitschriften. Dazu gehören: Twoj Styl, Tina, Chwila dla Ciebie, Swiat Seriali, Twoje Imperium, Zycie na Goraco, Trendy. Außerdem gibt er eine Reihe von Jugendzeitschriften heraus, zum Beispiel Bravo, Bravo Girl und Filipinka sowie Computer-, Auto- und Fernsehzeitschriften.

Der vierte Megakonzert ist Gruner+Jahr, der Herausgeber von Claudia, Glamour, Gala, Naj, von zwei Titeln aus dem Segment "Dom" sowie die wissenschaftliche Monatszeitschrift Focus. Deutsche Verlage verteilen bei uns die Karten. Ob die polnischen in der Lage sind, die Herausforderung auf irgendeine Weise anzunehmen? (Überschrift von MD) (TS)