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Mikrokredite in Namibia

24. November 2009

Namibia ist geprägt von Armut und Arbeitslosigkeit. Deshalb sollen Mikrokredite bei der Existenzgründung helfen. Doch die haben keinen guten Ruf: Denn das Geld verleihen meist Privatleute - zu Wucherzinsen.

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Shop in Namibia (Foto: DW)
Wer in Namibias Townships ein Geschäft eröffnen will, muss sich oft bei Kredithaien Geld leihenBild: DW

"Ich habe sie gebeten, mir noch eine Chance zu geben, ich habe sie angefleht, aber sie kamen einfach in mein Haus und haben alles genommen." Auf einem abgewetzten kastanienbraunen Sofa sitzt Anna Beurkes und erzählt von dem Tag, an dem die Kredithaie in ihre Wellblechhütte kamen. Anna hatte die Raten nicht rechtzeitig zurückgezahlt. Die schmächtige 55-Jährige mit den tiefen Sorgenfalten lebt in Windhuks Township Katutura. Katutura ist das Viertel der Schwarzen, seit sie vor mehr als fünf Jahrzehnten aus der Windhuker Innenstadt vertrieben wurden.

Anna Beurkes mit Kindern aus ihrem Kindergarten (Foto: DW)
Anna Beurkes mit Kindern aus ihrem KindergartenBild: DW / Koch

Einige Einwohner haben es zu bescheidenem Wohlstand wie einem kleinen Häuschen gebracht. Andere verbringen ihre Tage und Nächte – wie Anna – in baufälligen Hütten. Weil es viele Arbeitslose, aber kaum Jobs gibt, eröffnete Anna einen Kindergarten. Sie borgte sich 500 namibische Dollar, ungefähr 50 Euro, bei einer Gruppe von Kreditverleihern. "Nachdem ich mir von den Kredithaien Geld geliehen hatte, haben die Eltern plötzlich nicht mehr regelmäßig für den Kindergarten bezahlt. Manchmal haben sie mir 50 Dollar gegeben, mal 100, aber ich hatte einfach nie die Summe, mit der ich gerechnet hatte."

Kredithaie lauern überall

Kleinkreditgeber. Die gibt es in Windhuk an fast jeder Straßenecke – ob legal oder illegal. Die Regulierungsbehörde für Kreditgeber, Namfisa, schätzt, dass es in Namibia rund 300 legale Verleiher gibt. Im vergangenen Jahr haben sie mehr als eine halbe Million Kredite vergeben. Eine stattliche Summe, bedenkt man, dass in Namibia nur knapp zwei Millionen Menschen leben. Und niemand weiß, wie viele illegale Kreditverleiher zusätzlich ihr Unwesen treiben.

Schule im Freien (Foto: DW)
Schule im Freien: Der Einsatz eines Mikrokredits will gelernt seinBild: DW

Kuveeri Tuneko ist Annas Nachbarin. Sie verleiht Geld - illegal. Für die Kreditgeber ist es ein profitables Geschäft: Kuveeri Tuneko begann mit 500 namibischen Dollar, umgerechnet 50 Euro, und nahm dafür Zinsen von 30 Prozent – pro Woche. "Die Polizei war hier und sagte mir, ich müsste aufhören mit dem Geldverleihen. Aber das werde ich nicht." Sie hat den Beamten gesagt, dass sie keine Angst habe. "Irgendwas muss ich ja auch machen, um an Geld zu kommen. Ich muss die Schulgebühren für meine Kinder bezahlen, Wasser, Strom. Also woher soll ich das Geld dafür nehmen?"

Die Banken kommen nicht in die Slums

Illegal Geld verleihen oder borgen – beides ist die Folge von Armut und Perspektivlosigkeit. Ein Teufelskreis, doch wie können die Namibier ihn durchbrechen? Die Banken, die legal Kredite verleihen sollen, haben ihre Büros nicht in den staubigen Straßen von Katutura, sondern im nobleren Teil Windhuks. In der Independence Avenue, der Hauptstraße, gibt es keine Wellblechhütten, dafür hohe Gebäude in moderner Architektur.

Taschenrechner (Foto: DW)
Mitunter werden die Kreditraten im ländlichen Namibia unterm Baum bezahltBild: DW

In einem davon hat die namibische Entwicklungsbank ihr Hauptquartier. Sie hat ein Mikrokredit-Programm für Kleinstunternehmer aufgelegt, erklärt Michael Humavindu: "Wir bieten über kommerzielle Banken Kredite an, etwa über die Bank Windhuk oder First National Bank. Wir geben den Banken Kredite zu günstigen Zinsen, und die müssen die billigen Darlehen dann weitergeben an kleine Unternehmer."

Der Soweto Markt in Katutura ist der perfekte Ort für solche Kleinunternehmer. In bunten Buden verkaufen Händler maßgeschneiderte Kleidung, flechten Haare oder reparieren Schuhe. Der Laden von Simao Matongo ist so klein, dass kaum mehr als zwei Kunden darin Platz haben. Der Schneider jagt einen Jackettärmel durch seine Nähmaschine. Simao Matongo gehört zu den Händlern hier, denen ein Kredit bewilligt wurde. "Ich hatte wenig Geld als ich anfing, sehr wenig Geld. Ich musste mich abrackern, um wenigstens ein paar Sachen zu verkaufen. Ich hatte nur eine Nähmaschine und die konnte nicht mal Knöpfe annähen. Heute habe ich sieben Nähmaschinen."

Seit 14 Jahren wächst das Unternehmen von Simao Matongo kontinuierlich. Vier Angestellte sitzen mittlerweile für ihn an den Nähmaschinen. 6000 namibische Dollar hat der Schneider sich von einer Bank geliehen, rund 600 Euro. Anders als Anna kann er mit der Bank verhandeln, wenn er mit den Raten in Verzug gerät. Den Kredit erhielt Matongo damals nur, weil sein Geschäft bereits gut lief. Oft ist das noch immer die Grundvoraussetzung für einen Kredit. In zwei Monaten, schätzt Simao Matongo, wird er das Darlehen restlos getilgt haben.

Autorin: Anja Koch
Redaktion: Manfred Götzke