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Siegeszug des Kaffees

Frank Sieren21. Juli 2014

Chinesen trinken mittlerweile genauso gerne Kaffee wie Tee, was der amerikanischen Kaffeehauskette Starbucks Rekordumsätze beschert. Doch der Markt ist umkämpft, meint DW-Kolumnist Frank Sieren.

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Starbucks Filiale in Shanghai
Bild: Oliver Lang/AFP/Getty Images

Starbucks? In China? Als vor 15 Jahren die erste Filiale der Kaffeehauskette in Peking eröffnete, teilte ich die Meinung vieler Chinesen, dass die Amerikaner bestenfalls bei den Ausländern in der Stadt Erfolg haben würden. Zu sehr erinnerte der bittere Kaffeegeschmack an die Kräutersudgetränke aus der traditionellen chinesischen Medizin und die Chinesen waren bis dahin mehr in chinesischen Teehäusern anzutreffen, als in einem der überteuerten Cafés aus dem Westen.

Und auch bei Starbucks selbst war man sich damals wohl nicht sicher, ob es gelingt, die Teetrinkernation China davon zu überzeugen, auf Cappuccino und Latte Macchiato aus Pappbechern umzuschwenken. Die Zweifel waren unbegründet und die Rabatte, mit denen der Konzern die Lust auf Kaffee wecken wollte, konnten schnell wieder gestrichen werden. Und auch ich und meine chinesischen Freunde mussten unsere Meinung über die Jahre revidieren. Denn was anfangs mit nur 15 Filialen begann, ist zu einem landesweiten Netz von über 600 Kaffeehäusern gewachsen. Selbst in Pekings Verbotener Stadt gab es einen Starbucks, der wegen der vielen Palastgebäude und Treppen auch ohne große Werbeschilder ein begehrter Rastplatz war, bis engstirnige Kulturwächter die Amerikaner aus ihren Kulturgütern vertrieben. Dennoch ist China für den Konzern aus Seattle nach den USA zum zweitwichtigsten Markt der Welt geworden. Und natürlich weiß Starbucks-Chef Howard Schultz, dass er ohne das Wachstum in China nicht seit Jahren immer wieder neue Rekordergebnisse verkünden könnte. Auch deshalb soll sich bis nächstes Jahr die Zahl der Filialen in China noch einmal verdoppeln.

Kaffee als Lifestyle-Zusatz

Starbucks Erfolg in Fernost ist vor allem damit zu erklären, dass Kaffee längst zu einem nicht mehr wegzudenkenden Lifestyle-Zusatz für chinesische Großstädter geworden ist. Die Kaffeebohne steht für das neue Lebensgefühl einer aufstrebenden Mittelklasse, die nicht nur hart arbeitet, sondern zunehmend auch auf die richtige Dosis Entspannung und Genuss im Alltag achtet. Und inzwischen ist Kaffee zum chinesischen Kulturgut geworden. Denn auch im Südwesten Chinas wird Kaffee hergestellt. Als vor einem Jahr das chinesische Raumschiff Shenzhou ins All geschickt wurde, war erstaunlicherweise eine chinesische Kaffeebohne anstatt eines Teeblattes mit an Bord. Die chinesische Führung will den Kaffee offensichtlich nicht dem Westen überlassen. Für die Kaffeekunden ist es jedoch eher das westliche Lebensgefühl, das sie an den schaumgefüllten Becher treibt. Und weil es westlicher Schick ist, darf es auch etwas mehr kosten. Deshalb verkauft Starbucks seine Getränke im Reich der Mitte zu höheren Preisen, als in den meisten anderen Ländern der Welt. Fast vier Euro pro Becher für einen normalen schwarzen Kaffee.

Frank Sieren Kolumnist Handelsblatt Bestseller Autor China
DW-Kolumnist Frank SierenBild: Frank Sieren

Hohe Preise kein Hindernis

Dass die hohen Preise kein Thema sind, wenn es um das westliche Lebensgefühl geht, musste selbst der staatliche Fernsehsender CCTV feststellen. In einer Reportage stellte der Sender Starbucks im vergangenen November an den Pranger und bezeichnete die Preise der Kaffeekette als Abzocke. Doch die Sache ging nach hinten los. Statt sich über den amerikanischen Kaffee-Konzern zu echauffieren, reagierten chinesische Blogger mit Verständnis. Sie verteidigten Starbucks sogar, das seine Preispolitik mit den unverhältnismäßig hohen Mieten begründete, die der Konzern für seine Filialen in Chinas Großstädten zahlen müsse. Auch wenn man bezweifeln kann, dass die Miete in Peking höher ist als in Manhattan, trafen die Amerikaner mit ihrer Verteidigungsstrategie einen Nerv. Denn anders als der Kaffeepreis sind die immer weiter steigenden Wohnkosten in China tatsächlich ein Problem, über das sich die Chinesen ärgern. Die Kunden und die Kaffeebrauer bildeten plötzlich eine nationale Front der Immobilienpreiskritiker. Die Antiamerikanisten, die hofften, mit ihrer Kaffeekritik zu punkten, hielten schnell die Klappe. Starbucks stellt sich allerdings auch geschickt auf den chinesischen Geschmack ein. Denn ganz ohne Tee geht es in China eben doch nicht, weshalb die Kette eine ganze Reihe von Tee-Milch-Mischgetränken nur in China und Teilen von Asien anbietet.

Konkurrenz schläft nicht

Doch auch die neuen Getränkekreationen und ein großes Filialnetz können nicht garantierten, dass Starbucks in China auf Dauer erfolgreich bleibt.

Während chinesische Kaffeehausketten noch keine große Rolle spielen, holt die westliche und asiatische Konkurrenz auf. Ausgerechnet Kaffeebrauer aus Großbritannien und Südkorea sind erfolgreich. Sie kommen zwar nicht gerade aus Kaffeetrinker-Nationen, aber sie wissen offenbar, wie man ihn verkauft: Die britische Costa Coffee Kette hat in China mittlerweile über 300 Filialen eröffnet. Und die erst sechs Jahre alte südkoreanische Kette Caffe Bene kündigte im April an, bis nächstes Jahr in ganz China 3000 Filialen eröffnen zu wollen - also rechnerisch alle drei Stunden eine neue Filiale.

DW-Korrespondent Frank Sieren lebt seit 20 Jahren in Peking.